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Herausgegeben von den Berufsverbänden für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland.

Psychotherapie: Negative Effekte / Auswirkungen

Eine Psychotherapie ist mit dem Risiko behaftet, dass sie nicht nur hilfreich ist, sondern auch schaden kann. Während der Großteil der Patienten von einer Psychotherapie profitiert, ist bei 10-30 Prozent mit negativen Effekten einer psychotherapeutischen Behandlung zu rechnen, in manchen Fällen kann eine dauerhafte Verschlechterung auftreten. Die Bewertung von Erfolg oder Misserfolg einer Psychotherapie hängt insbesondere von den Therapiezielen des Patienten und Therapeuten ab. Die Verbesserung der Symptomatik und die Zufriedenheit eines Patienten mit der Therapie gelten unter anderem als Kriterien für eine erfolgreiche Therapie.

Misserfolge können durch den Patienten, das Therapiekonzept und/oder durch den behandelnden Therapeuten verursacht sein. Man kann verschiedene Formen negativer Effekte unterscheiden, wie z. B.:

  • Verschlechterung der Symptomatik (Verstärkung, Ausweitung)
     
  • Therapierisiken durch unerwartete Komplikationen
     
  • Unerwünschte Behandlungseffekte und Nebenwirkungen (auch für die Umwelt)
     
  • Wechselwirkungen mit medizinischen oder sozialen Interventionen
     
  • Schäden durch Behandlungsfehler

Verschlechterungen während einer Therapie sind jedoch nicht notwendigerweise auf die Psychotherapie zurückzuführen, sondern diese können im Einzelfall auch durch den unbeeinflussbaren Verlauf einer Erkrankung bzw. Störung bedingt sein. Nicht bei allen Patienten kann mit einem positiven Verlauf durch eine Psychotherapie gerechnet werden. Tritt eine Zustandsverschlechterung ein, ist es auch möglich, dass es sich um Entwicklungen handelt, die zwar zunächst vom Patienten als problematisch empfunden werden, aber als Teil des Therapieprozesses angesehen werden müssen.  Eine Expositionsbehandlung (Reizkonfrontation) kann beispielsweise zunächst als sehr belastend empfunden werden und den Patienten in hohem Masse fordern. Auch kann es zu einer zeitweisen Verschlechterung im Laufe der Therapie kommen, die dann aber im Therapieerfolg mündet.

Die Spannweite von Auswirkungen durch eine Psychotherapie ist groß, denn die Patienten verändern sich durch die Therapie, was auch Effekte auf deren Umwelt haben kann. Mögliche Nebenwirkungen einer Psychotherapie betreffen nicht nur die Patienten selbst, sondern auch deren Umfeld. Stärkt ein Patient beispielsweise seine Willens- und Durchsetzungskraft, kann das Konflikten mit der Familie, dem Lebenspartner oder den Arbeitskollegen nach sich ziehen. Das soziale Gefüge kann sich wandeln - auch weil Patienten nun abwägen, welche Beziehungen ihnen gut tun und welche nicht.

Personen, die eine Psychotherapie wahrnehmen und meinen, dass ihre Symptomatik einen ungünstigen Verlauf nimmt oder neue Symptome auftreten, sollten sich grundsätzlich mit ihrem Therapeuten darüber austauschen. Tritt in den ersten 30 Therapie-Stunden keine Besserung ein, ist gemeinsam mit dem Therapeuten zu überlegen, ob das Vorgehen zu verändern ist oder auch, ob der Therapeut gewechselt werden sollte. Ein hoher Leidensdruck, eine große Motivation für Veränderung, eine wohlwollende Auseinandersetzung mit sich selbst, Mut zu Ehrlichkeit sowie das zuverlässige Einhalten der Termine und vereinbarter Aufgaben erhöhen die Erfolgschancen einer Psychotherapie.

Ursachen für psychotherapeutische Misserfolge

Möglicher Grund für eine Zustandsverschlechterung kann beispielsweise ein nicht optimales Patienten-Therapeutenverhältnis sein, indem sich der Patient nicht richtig öffnen kann. Dass die „Chemie“ untereinander stimmt, ist eine elementare Voraussetzung für den Therapieerfolg und sollte unbedingt gewährleistet sein. Gründe auf Seite des Patienten können beispielsweise ein zu schweres Krankheitsbild sein sowie mangelnde Therapiemotivation, schwierige Lebensumstände oder eine unzureichende soziale Unterstützung  durch das Umfeld des Patienten. Auf Seite des Psychotherapeuten können unter anderem folgende Faktoren zum Misserfolg beitragen: eine falsche Indikationsentscheidung, mangelndes Vermögen des Psychotherapeuten (Einfühlsamkeit, Beherrschung therapeutischer Techniken), mangelnde Übereinstimmung mit dem Patienten über den Therapieprozess.

Aufklärung und Einwilligung

Jede psychotherapeutische Behandlung bedarf der Einwilligung des Patienten und setzt dessen Aufklärung voraus. Diese Informationsvermittlung findet hauptsächlich in den ersten Gesprächen statt und setzt sich oft im Therapieverlauf fort. Die Pflicht des Psychotherapeuten zur Aufklärung besteht auch dann, wenn der Patient nicht ausdrücklich danach verlangt. Folgende Punkte werden angesprochen, damit ein Patient auf Basis umfassender Informationen sein Einverständnis zur Behandlung geben kann:

  • Ziel und Zweck der Psychotherapie
     
  • die zur Anwendung gelangende psychotherapeutische Methode
     
  • Erfolgswahrscheinlichkeit
     
  • Frequenz und Dauer der Sitzungen
     
  • ungefähre Dauer der Behandlung
     
  • mögliche Settings
     
  • Honorar
     
  • Modus bei Ausfall einer Stunde
     
  • Urlaubsregelung
     
  • Schweigepflicht und Grenzen der Schweigepflicht
     
  • Risiken, Nebenwirkungen und mögliche emotionale und physische Belastungen durch die Psychotherapie
     
  • Alternativen zur Psychotherapie
     
  • Möglichkeiten zur Unterbrechung oder Beendigung der Psychotherapie.

Die Aufklärung ist in der Regel keine einmalige Angelegenheit. Weil manche Informationen in der Anfangsphase noch nicht vorliegen und erst später verfügbar sind, ist die Patientenaufklärung ein kontinuierlicher Prozess. Manchmal ändern sich auch die Modalitäten oder Umstände, sodass immer wieder eine rechtzeitige und angepasste Informierung des Patienten erforderlich ist.

Fachliche Unterstützung: Dr. med. Sabine C. Herpertz, Heidelberg (DGPPN)