Neurologen und Psychiater im Netz

Das Informationsportal zur psychischen Gesundheit und Nervenerkrankungen

Herausgegeben von den Berufsverbänden für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland.

Stellenwert der Psychoedukation

Die Psychoedukation ist ein Baustein in der Therapie psychischer Erkrankungen, der das "Verstehen" der Krankheit verbessern soll. Nur wer versteht, was vor sich geht, kann seine Ängste überwinden und selber dazu beitragen, seine Krankheit zu bewältigen. Insofern ist Psychoedukation eine grundlegende Hilfe zur Selbsthilfe.

Wichtig ist, dass ein Patient das erworbene Wissen über seine Krankheit und die Behandlungsmöglichkeiten auch umsetzt und die Möglichkeiten der modernen Psychiatrie - vor allem die zwei Säulen der Behandlung, Medikamente und Psychotherapie - auch tatsächlich nutzt. Dadurch kann er wirksam dazu beitragen, weitere Krankheitsrückfälle zu verhindern.

Ein Vergleich zur Zuckerkrankheit (Diabetes) kann dies vielleicht ein wenig verdeutlichen. Zwar sind körperliche und seelische Erkrankungen sicherlich nur schwer miteinander zu vergleichen. Es können aber auch Parallelen sichtbar werden.

Jemand, der an Diabetes leidet, braucht notwendigerweise zwei Dinge, um ein möglichst "normales" Leben führen zu können: Zum Einen muss ein Diabetiker lernen, was genau ihm fehlt, warum sein Blutzuckerspiegel schwankt und was das für ihn bedeutet bzw. für ihn bedeuten kann. Und er muss lernen, wie er sich gesundheitsförderlich verhält. Er muss lernen, wie er seine Mahlzeiten einteilt, wie er seinen Tag einteilt, wie er sein ganzes Leben daraufhin abstimmt. Um ein "normales" Leben führen zu können, braucht ein Diabetiker aber auch Medikamente, die dem modernsten Technologiestandard entsprechen. Aufgrund der Neuerungen in der modernen Medizin gibt es heute Möglichkeiten, den Blutzuckerspiegel eines Diabetikers wieder auf ein Normalniveau einzustellen. Zu diesen Möglichkeiten zählt auch die Darreichungsform des Medikamentes.

Gute Wissensvermittlung über die Erkrankung und Akzeptanz der Krankheit auf der einen Seite und Inanspruchnahme der modernen Behandlungsmöglichkeiten inkl. der modernen Medikamente auf der anderen Seite erlauben vielen Diabetikern ein weitgehend "normales" Leben.

Was heißt das für die schizophrene Erkrankung?

Auch bei der Schizophrenie ist die umfassende Aufklärung über die Erkrankung der erste Schritt zu einer Verbesserung der Lebenssituation. Ein über seine Erkrankung informierter Patient kann nach und nach besser akzeptieren, dass er krank ist und erkennen, wie seine Störung beschaffen ist. Er lernt aber auch, dass er viel für sich und seine Besserung tun kann.

Rückfälle zu verhindern, ist für eine dauerhafte Verbesserung der Situation der Patienten ein zweiter wichtiger Schritt. Ein über seine Behandlungsmöglichkeiten aufgeklärter Patient kann im Gespräch mit dem Arzt mitbestimmen (englisch: informed consent und shared decision making), welche Behandlung er möchte und warum er dies möchte. Zusammenarbeit und Mitbestimmung bei der Therapieauswahl führen beim Patienten zu größerer Behandlungszufriedenheit und damit auch zu größerer Behandlungszuverlässigkeit (so genannte Compliance). Denn er ist zum Mitentscheider bei der Wahl seiner Therapie geworden. Gerade bei der medikamentösen Therapie ist die Zuverlässigkeit des Patienten unumgänglich, um erneute Rückfälle zu vermeiden. Die Verhinderung von Rückfällen ist der Dreh- und Angelpunkt einer erfolgreichen Therapie.

Die Möglichkeiten, Rückfällen mit moderner medikamentöser Therapie kombiniert mit psychotherapeutischer Unterstützung entgegenzuwirken, sind heute so gut wie nie zuvor. Psychoedukation schafft die Voraussetzung, dass die Krankheit akzeptiert wird und motiviert die Betroffenen, die bewährten Behandlungsmethoden in Anspruch zu nehmen (Kissling 2003).

Als Fernziel steht eine möglichst umfassende Unabhängigkeit von anderen - gut informierte und gut instruierte Patienten lernen im Laufe der Jahre immer besser, mit ihrer Erkrankung umzugehen. Sie können die Beschwerden rechtzeitig und richtig zuordnen, können entsprechende Abhilfemaßnahmen einsetzen, sich rechtzeitig die Hilfe anderer holen und es dadurch schaffen, sehr viel seltener in eine Klinik eingewiesen werden zu müssen*.

Fachliche Unterstützung: Dr. med. Josef Bäuml u. Dipl.-Psych. Dr. Gabi Pitschel-Walz, 2005