Neurologen und Psychiater im Netz

Das Informationsportal zur psychischen Gesundheit und Nervenerkrankungen

Herausgegeben von den Berufsverbänden für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland.

Arbeitsleben: Selbstschutz/Stressmanagement

Stressbewältigung bedeutet vereinfacht gesagt, sein Verhalten oder die Verhältnisse zu ändern, um übermäßige Belastungen wirksam zu verringern oder zu vermeiden. Dazu muss jeder systematisch überlegen, welche Elemente und Verhaltensweisen des eigenen Lebensstils in beruflichen wie auch privaten Situationen Stress verursachen und wie diese abzuändern sind, und dann gezielt und ggf. mit Unterstützung andere, neue Verhaltensweisen einzuüben, die zu einer gesünderen Lebensweise beitragen.

Eigenanalyse

Bei der Eigenanalyse können folgende Fragen nach dem sog. S-O-R-K-Modell (Herleitung der Abkürzungen siehe unten) hilfreich sein:

  • S wie Situation: Wie kann ich unangenehme Stressreize oder Situationen vermeiden oder so verändern, dass sie mich nicht mehr belasten?
     
  • O wie Organismus: Welche Überzeugungen oder Einstellungen sind unrealistisch und führen zu Problemen mit meiner Umwelt? Welche Alternativeinstellungen helfen mir weiter? Welche Persönlichkeitseigenschaften behindern mich und welche Alternativen habe ich?
     
  • R wie Reaktion: Wie kann ich in einer Stresssituation anders reagieren? Kann ich anders empfinden, anders darüber denken, mich anders verhalten?
     
  • K wie Konsequenz: Wie kann ich die Konsequenzen meines Verhaltens ändern? Wie kann ich dafür sorgen, dass mein erwünschtes Verhalten eher belohnt anstatt bestraft wird?

Für ein strukturiertes Vorgehen sollte man den richtigen Zeitpunkt wählen, zunächst eine einfache Stresssituation analysieren und Selbstbeobachtung durch Fremdbeobachtung ergänzen.

 

Online-Stresslabor

Die BKK bietet unter www.onlinestresslabor.de ein Online-Tool zur Ermittlung des persönlichen Stresses an. Unterschiedliche Test sollen dabei helfen, die momentane Höhe des persönlichen Stresses einzuschätzen, auch wird der aktuelle Zustand in einer Momentaufnahme abgebildet. Unter anderem kann der Nutzer feststellen, inwieweit einzelne Faktoren in seinem Leben als besondere Quellen von Stress identifiziert werden können. Darüber hinaus werden zusätzliche Informationen rund um das Thema Stress und Stressbewältigung angeboten.

Kurzfristige Stressbewältigung

Um unangenehmen Stress möglichst schnell loszuwerden, kann man eine der folgenden Methoden ausprobieren, die i.d.R. nicht neu erlernt werden müssen, weil sie zu den natürlichen Fähigkeiten gehören, also im eigenen Verhaltensrepertoire bereits verfügbar sind, so dass sich rasch darauf zugreifen lässt:

  • Die Stresssituation vermeiden bzw. weggehen, eine ‚Auszeit’ nehmen, kann durchaus in manchen Situationen angemessen sein. Vermeidungsverhalten ist jedoch kein dauerhafter Lösungsweg.
     
  • Sich Abreagieren bzw. „Dampf ablassen“ kann eine Möglichkeit sein, um übermäßige Aktivierung und Anspannung auf ein erträgliches Niveau abzubauen (z.B. durch Bewegung oder Schimpfen). Dabei sollte das Abreagieren selbstverständlich in einem Maße erfolgen, das für die Umwelt zumutbar ist.
     
  • Kurzentspannung: sich Herunterregeln, Besinnen (z.B. durch bequeme Sitz- oder Liegeposition, einem beruhigenden Selbstgespräch, dem Ausblenden von störenden Außenreizen)
     
  • Eigene Wahrnehmung bewusst umlenken, damit die Konzentration auf die Stresssituation die Wahrnehmung alternativer (angenehmerer, schöner) Dinge nicht verhindert
     
  • Positive Selbstgespräche: ‚Sich selbst erfüllende Prophezeiungen’, in denen man sich selbst als erfolgreicher Sieger einer noch zu überwindenden, kritischen Situation sieht und sich selbst gut zuredet (‚Ich werde es schaffen’). Diese Selbstgespräche können Kräfte freisetzen, die dabei helfen, über verhaltenshemmenden Selbstzweifel und Unsicherheiten hinwegzukommen, und damit die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass man sein Ziel tatsächlich erreicht. 

Langfristige Stressbewältigung

Um mit komplexeren Stress-Situationen - vor allem wenn sie häufig wiederkehren - anders bzw. besser umgehen zu können, ist es erforderlich, eine nachhaltige Stressbewältigungsstrategie zu entwickeln und damit eine neue, alternative Verhaltensweise zu erlernen. Hier bieten sich die folgenden Methoden an, die sich auf viele verschiedene Stress-Situationen übertragen lassen:

  • Systematisch entspannen (z.B. durch progressive Muskelentspannung nach Jacobson, autogenes Training von Schultz, Tai Chi oder Yoga), um durch sog. Autoregulation einen psycho-physiologischen Ruhezustand zu erreichen, der mit innerer Ruhe und Gelassenheit verbunden ist
     
  • Perspektive oder Einstellung ändern, um überzogene oder unangemessene Überzeugungen abzuändern, z.B. indem man sie relativiert, infrage stellt oder durch eine realitätsnähere Einstellung ersetzt. Ausschlaggebend ist dabei, neue (und passendere) Einstellungen auszuprobieren.
     
  • Befriedigenderen Aktivitäten nachgehen: Auch wenn Gestresste meinen, für nichts mehr Zeit zu haben, sollten sie Hobbies und befriedigenden Aktivitäten bewusst Zeit einräumen. Das wirkt dem Verlust positiver Verstärker (Spaß und Lebensfreude) entgegen und gibt das Gefühl, wieder mehr Kontrolle über sein Leben zu haben und nicht nur in der Stressfalle gefangen zu sein.
     
  • Soziale Kontakte aufbauen und pflegen: Sozialer Austausch mit Gleichgesinnten oder Gleichbetroffenen und deren Unterstützung vermitteln Sicher- und Geborgenheit und sind daher gute Schutzfaktoren gegenüber Überbelastung und Stress.
     
  • Planung & Zeitmanagement: Wer feststellt, dass fehlende Planung in seinem Leben zu negativen Konsequenzen führt, sollte sich eine Planungshilfe zum Zeitmanagement zulegen, die Halt und Struktur gibt und die Orientierung erleichtert.
     
  • Komplexe Probleme systematisch lösen, das heißt: (1) sich gründlich mit dem Sachverhalt auseinandersetzen und ihn detailliert analysieren (s.a. S-O-R-G-Modell), (2) durch unzensiertes Brainstorming nach Lösungsmöglichkeiten suchen, (3) eine optimale und realisierbare Lösung auswählen, (4) einen Handlungsplan erstellen, (5) diesen Handlungsplan umsetzen, (6) überprüfen ob der Lösungsansatz erfolgreich war bzw. ob und wie er sich noch verbessern lässt. 

Soziale Unterstützung

Menschen, die nicht (mehr) über ein unterstützendes soziales Netzwerk verfügen und mit Belastungssituationen alleine fertig werden müssen, sind besonders stressanfällig. Demgegenüber können sie von Mitmenschen, die in einer ähnlichen Situation sind, aufgrund deren Erfahrungen wertvolle Tipps, Informationen und emotionale Unterstützung bekommen. Auch das Modell der anderen, wie sie beispielsweise mit einer Krankheit oder einem Konflikt umgehen, kann nachhaltigen Einfluss auf das eigene Verhalten und Erleben haben. Modell-Lernen, also Lernen durch Beobachten, ist grundsätzlich eine wichtige Informationsquelle für Stressbewältigung.

Fachliche Unterstützung: Dr. Christa Roth-Sackenheim (BVDP)