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Herausgegeben von den Berufsverbänden für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland.

Behandlungsmöglichkeiten beim Bandscheibenvorfall

Die Therapie eines Bandscheibenvorfalls ist immer abhängig von den Symptomen. Verursacht ein Bandscheibenvorfall keine Beschwerden, muss er auch nicht behandelt werden. Bei starken oder länger als drei bis vier Tagen andauernden Schmerzen sollte ein Arzt aufgesucht werden. Keine Zeit darf verstreichen, wenn sich zusätzliche Lähmungserscheinungen, Taubheitsgefühl oder Kribbeln in Armen oder Beinen einstellen, um bleibende Schäden zu vermeiden.

In den meisten Fällen kann dem Patienten ohne eine Operation (konservative Therapie) geholfen werden, wieder beschwerdefrei zu werden. Dies trifft vor allem für Bandscheibenvorfälle zu, die nur mit Schmerzen oder leichter Muskelschwäche einhergehen und nicht zu einer Lähmung und/oder Blasenstörung geführt haben.

Konservative Therapie

Grundsätzlich besteht immer die Möglichkeit, dass sich die Beschwerden eines Bandscheibenvorfalls von selbst bessern oder verschwinden, weil der Gallertkern mit der Zeit eintrocknet und schrumpft. Weil dies nicht immer der Fall ist, verordnet der Arzt Bettruhe, viel Wärme und Schmerzmittel (in Form von Tabletten, Infusion oder Zäpfchen) bzw. muskelentspannende Präparate, damit der Druck auf die Nervenwurzel verschwindet und die alte Beweglichkeit zurückkehrt.

Medikamentöse Behandlung

Bei der Schmerztherapie von Bandscheibenvorfällen kommen so genannte Antiphlogistika zum Einsatz. Antiphlogistika sind Medikamente, die neben einer schmerzlindernden eine entzündungshemmende und abschwellende Wirkung haben. Man unterscheidet zwischen steroidalen und nicht-steroidalen Antiphlogistika (NSAR) wie Ibuprofen, Diclofenac. In vielen Fällen verordnet der Arzt auch COX2-Hemmer sowie Corticosteroide oder Medikamente zur Muskelentspannung (Muskelrelaxantien). Bei einer fortgeschrittenen Erkrankung kann die Schmerzgrenze durch die Gabe von Antidepressiva angehoben werden. Bei starken chronischen Schmerzen  können dem Patienten Opiate in Form von Schmerzpflastern verabreicht werden. Generell ist eine Schmerztherapie nur unter ärztlicher Aufsicht durchzuführen, um schwerwiegende Nebenwirkungen zu vermeiden.

Wenn die Schmerzen nicht durch die üblichen Medikamente in den Griff zu bekommen sind, bieten die peridurale Infiltration (PDI) oder periradikuläre Therapie (PRT) eine Alternative zur Operation. Hierbei werden unter computertomografischer Kontrolle schmerzstillende, entzündungshemmende und gewebsverödende Medikamente millimetergenau an die schmerzende Nervenwurzel verabreicht.

Physikalische Therapie

In der akuten Phase dient die Physiotherapie in erster Linie der Schmerzlinderung. So wird vielen Patienten Bettruhe verordnet, zum Teil mit Stufenlagerung der Beine auf einem Würfel, um die Lendenwirbelsäule zu entlasten. Krankengymnastische Übungen wie manuelle Mobilisation oder Schlingentisch, Elektrotherapie mit niederfrequenten Reizströmen oder Hochfrequenztherapie dienen ebenfalls zur Schmerzminderung.

Nach dem Abklingen der ersten Beschwerden verordnet der Arzt eine Physiotherapie, in der der Patient seine Rücken- und Bauchmuskulatur aktiv stärkt. Dadurch werden die Bandscheiben entlastet. In der so genannten Rückenschule lernt der Betroffene außerdem wie man seinen Rücken im Alltag schont: angefangen beim richtigen Liegen bis hin zum rückengerechten Heben schwerer Lasten.

Chirurgische Therapie

Wenn der Schmerz unbeherrschbar wird, deutliche Lähmungserscheinungen auftreten oder der Betroffene seine Blase nicht mehr kontrollieren kann, ist eine Einweisung ins Krankenhaus unumgänglich. Diese muss ganz vordringlich als Notfall erfolgen. In diesen Fällen muss der Bandscheibenvorfall operativ beseitigt werden. Letztlich auch um irreparable Schäden wie das Absterben von Nervenwurzeln zu vermeiden. Hierzu stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung:

Minimal-invasive Verfahren

Minimal-invasive Verfahren werden nur bei einfachen, relativ frischen Bandscheibenvorfällen durchgeführt und nur bei Patienten, die noch nicht an der Bandscheibe operiert wurden. Sie erfolgen in der Regel ambulant und unter örtlicher Betäubung. Über einen zwei Zentimeter langen Schnitt am Rücken wird ein dünnes Röhrchen (Tubus) mit einem Endoskop an die Wirbelsäule herangeführt, welches das Operationsgebiet über einen Monitor sichtbar macht. Durch den freien Raum im Tubus können weitere Instrumente eingeführt werden, mit denen der Chirurg die Bandscheibe ganz oder teilweise abtragen kann. Der Eingriff dauert ungefähr 20 Minuten.

Laserabtragung der Bandscheibe

Ähnlich wie die minimal-invasive Therapie eignet sich die Laserabtragung der Bandscheibe nur für einfache, frische Vorfälle. Über eine doppelwandige Kanüle wird neben einer Kühlflüssigkeit die Glasfaser eines medizinischen YAG-(Yttrium-Aluminat-Granat)-Lasers eingeführt. Die Lage der Kanülenspitze wird mittels Computertomografie kontrolliert. Durch kurze Lichtblitze aus dem Laser werden Teile der Bandscheibe gezielt verdampft und so ihr Volumen verringert. Der Eingriff dauert etwa eine halbe Stunde und erfolgt unter örtlicher Betäubung. Der Patient kann das Krankenhaus innerhalb eines Tages wieder verlassen.

Chemonukleolyse

Bei der Chemonukleolyse wird das Enzym Chymopapain in den Gallertkern der verschobenen Bandscheibe injiziert, um ihn zu verflüssigen und anschließend absaugen zu können. Diese Methode kommt nur in Frage, wenn der Faserring der betroffenen Bandscheibe völlig intakt ist. Ansonsten kann das relativ aggressive Enzym im umliegenden Gewebe schwerwiegende Schäden anrichten. Da der Zustand des Faserrings nur schwer eingeschätzt werden kann, wird die Chemonukleolyse eher selten angewendet.

Perkutane Nukleotomie

Diese Methode besteht ebenso wie die Chemonukleolyse im Absaugen des Gallertkerns. Allerdings wird dieser vorher nicht mittels Enzym verflüssigt, sondern hier wird ein spezielles Sauggerät eingesetzt. Die Einführung der erforderlichen Kanüle verfolgt der Chirurg über einen Computertomografen. Mit diesem Verfahren können ausschließlich unkomplizierte Bandscheibenvorfälle behandelt werden. Die Operation dauert ca. 30 Minuten.

Konventionelle offene Chirurgie

In schweren Fällen, wenn zum Beispiel mehrere Bandscheiben betroffen sind oder die Erkrankung bereits längere Zeit besteht, ist ein größerer Eingriff unter Vollnarkose erforderlich. Um den Bandscheibenvorfall für eine Behandlung zugänglich zu machen, muss der Chirurg Teile von Muskeln und unter Umständen auch von Wirbelkörpern entfernen. Wie bei allen herkömmlichen operativen Eingriffen können hierbei Nerven und Gefäße beschädigt werden, sich das Operationsfeld entzünden oder wuchernde Narben entstehen, die eine erneute Operation notwendig machen. Außerdem birgt die Vollnarkose Risiken für den Patienten in sich. Deshalb wird solch eine Behandlung trotz hoher Erfolgsquote (ca. 80%) nur durchgeführt, wenn sie dringend notwendig ist.

Versteifung der Wirbelsäule (Spondylodese)

Diese Operation ist die „Erweiterung“ der offenen Bandscheibenoperation, sie wird ebenfalls in Vollnarkose durchgeführt. Eine operative Versteifung der Wirbelsäule ist häufig bei schweren Bandscheibenvorfällen oder bei Instabilität eines Wirbelsäulenabschnittes nach einer früher operierten Bandscheibe notwendig. Dabei werden mehrere Wirbelkörper knöchern miteinander verbunden. Die Versteifung wird nur durchgeführt, wenn es sonst keine anderen Möglichkeiten gibt, chronische Beschwerden zu lindern. Ein großer Nachteil der Spondylodese ist die resultierende reduzierte Beweglichkeit der Wirbelsäule.

Künstliche Bandscheibe

Die künstliche Bandscheibe ist eine neue Möglichkeit für Patienten, die unter chronischen Beschwerden leiden oder bei denen besonders schwere Bandscheibenvorfälle diagnostiziert worden. Das Implantat aus Titan ersetzt dabei die faserig und spröde gewordene Bandscheibe. Die künstliche Bandscheibe ermöglicht eine Drehbewegung, welche die natürlichen Bewegungen der Wirbel nachahmt. Im Durchschnitt dauert die Operation 90 Minuten. Die künstliche Bandscheibe wird vorwiegend bei Patienten unter 60 Jahren eingesetzt.

Fachliche Unterstützung: Dr. med. Uwe Meier (BDN), Grevenbroich