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Das Informationsportal zur psychischen Gesundheit und Nervenerkrankungen

Herausgegeben von den Berufsverbänden für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland.

Diagnosemöglichkeiten bei Verdacht auf Alzheimer-Demenz

Bei anhaltenden Gedächtnis- oder Wortfindungsstörungen sowie auffallenden Verhaltensstörungen im Alter sollte unbedingt eine Abklärung der Ursache beim Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie oder Neurologie erfolgen. Für den Facharzt von Vorteil sind dabei Kompetenzen im Bereich der Alterskrankheiten seines Faches (Gerontopsychiatrie, Geriatrie = Altersheilkunde). Das normale Altern kann zwar auch mit einem Nachlassen der geistigen Leistungsfähigkeit einhergehen, die Symptome lassen sich meist aber recht gut von einer richtigen Demenz abgrenzen. Für die Diagnose „Demenz" sucht der (Geronto)Psychiater/Neurologe neben der Gedächtnisstörung nach weiteren Krankheitsanzeichen:

  • Störungen des Denk- und Urteilsvermögens sowie Aufmerksamkeitsstörungen,
     
  • Sprachstörung trotz intakter Funktion von Zunge und Kehlkopf (Aphasie),
     
  • Unfähigkeit gezielte Bewegungen auszuführen, obwohl Muskeln und Nerven intakt sind (Apraxie),
     
  • Nichterkennen/Nichtverstehen von Gesprochenem, Gesehenem, Gehörtem oder Getastetem, obwohl die Sinnesorgane intakt sind (Agnosie) und/oder
     
  • Unvermögen, komplexe geistige Ideen in eine Handlung umzusetzen (Störung der Exekutivfunktionen).

Bei einer Demenz greifen die geistigen Störungen – die so genannten kognitiven Defizite – in bedeutsamer Weise in das soziale oder berufliche Leben der Patienten ein. Außerdem besteht eine deutliche Verschlechterung gegenüber einem früheren Leistungsniveau. Zudem werden bei Alzheimer-Patienten ein verminderter Antrieb und Störungen im Sozialverhalten beobachtet. Die Erkrankung zeigt den typischen Verlauf, nämlich einen schleichenden Beginn und fortgesetzten geistigen Abbau.

  • Beurteilung der geistigen Fähigkeiten

Anhand verschiedener Tests kann der Arzt die derzeitige geistige Leistungsfähigkeit des Patienten beurteilen und damit den Schweregrad der Demenz einordnen:

  • Uhren-Test

Bereits das einfache Zeichnen einer Uhr, lässt eine Beurteilung des geistigen Zustands des Patienten zu. Aufgrund der zunehmenden visuell-räumlichen Orientierungsprobleme im Verlauf der Krankheit können die Ziffern und Zeiger oft nicht mehr richtig in einem vorgegebenen Kreis angeordnet werden (Dauer ca. 5 Minuten).

  • Mini-Mental-Status-Test (MMST)

Der MMST ist der älteste und bekannteste Fragebogentest zur Demenz.

Er wird häufig vom Hausarzt zur ersten Orientierung durchgeführt, er dauert nur ca. 10 Minuten. Der Patient muss einige Fragen zur aktuellen Zeit und zum Raum, in dem er sich gerade befindet, beantworten (misst Orientierung in Zeit und Raum). Er wird gebeten, drei Worte nachzusprechen (misst Merkfähigkeit), einen einfachen „Rückrechentest" durchzuführen (misst Aufmerksamkeit und Richtigkeit). Dann soll er die drei Worte des Merkfähigkeitstest wiederholen (misst Erinnerungsfähigkeit). Schließlich gibt es einige Sprach- und Schreibtests. Die Aufgaben sind so einfach, dass sie jeder geistig Gesunde mit Leichtigkeit bestehen würde. Ein Demenz-Kranker weist jedoch Lücken auf. Sie werden mit zunehmender Demenz immer deutlicher.

  • Demenz-Detektion (DemTect)

Dieser Spezialtest zur Früherkennung ist dem MMST überlegen und wird daher häufig vom Gerontopsychiater/Neurologen durchgeführt. Er dauert ebenfalls etwa 10 Minuten. DemTect steht für Demenz-Detektion. Der Test enthält fünf Aufgaben. Der Patient muss eine Wortliste wiederholen. Damit wird das Kurzzeitgedächtnis geprüft. Diese Liste wird am Testende noch einmal abgefragt, um das Langzeitgedächtnis zu beurteilen. In einer "Zahlenwandelaufgabe" muss der Patient zwei Ziffern in Zahlwörter und zwei Zahlwörter in Ziffern umsetzen. Außerdem wird die Flüssigkeit der Sprache geprüft.

  • Montreal Cognitive Assessment (MoCA)

Ähnlich dem DemTect dient auch der MoCA der Früherkennung von Defiziten des Gedächtnisses bzw. des Denkvermögens. In 10 Minuten werden auch hier verschiedene Bereiche der Leistungsfähigkeit abgefragt. Dazu gehört das Lernen von fünf Begriffen, welche später abgefragt werden. Die visuell-räumliche Verarbeitung wird durch das Zeichnen einer Uhr und das Abzeichnen eines Würfels geprüft. Es folgt die Prüfung der Konzentration, der „Exekutivfunktionen“ und der Abstraktionsfähigkeit. Auch hier werden die Flüssigkeit der Sprache und die Zahlenverarbeitung getestet. Darüber hinaus werden die Fähigkeit, komplexe Sätze zu verstehen, und die Orientierung in Raum, Ort und Situation untersucht.

  • ADL-Skalen

ADL-Skalen (ADL: "Activities of Daily Living") messen die Auswirkungen der Demenz auf die Alltagsfähigkeiten. Der Test, der in verschiedenen Varianten existiert, misst, zu welchen Tätigkeiten des alltäglichen Lebens der Patient noch fähig ist. Es werden Alltagsprobleme mit Punkten zwischen 1 für "nie vorhandene" und 10 für "immer vorhandene Schwierigkeiten" bewertet (Dauer: ca. 10 Minuten).

  • CERAD-Testsammlung

Bei CERAD handelt es sich um eine Sammlung verschiedener Demenz-Tests, mit denen der Schweregrad der Demenz beurteilt werden kann (Dauer: 40 Minuten oder länger).

Weitere Verfahren

Bei der Erstdiagnose der Demenz sollte zusätzlich entweder eine Computertomografie (CT) oder eine Magnetresonanztomografie (MRT) durchgeführt werden. CT und MRT erstellen Schichtaufnahmen des Gehirns und erlauben einen Einblick in den Aufbau des Gehirns. Diese bildgebenden Verfahren ermöglichen allein zwar nicht die Diagnose einer Demenz, können aber helfen, zwischen den einzelnen Formen zu unterscheiden. So können z.B. die der "vaskulären Demenz" zugrundeliegenden Schlaganfälle und Durchblutungsstörungen sichtbar werden.

Der Hauptgrund für die Erstellung von CT- und MRT-Bildern liegt jedoch in der frühzeitigen Erkennung von behandelbaren Ursachen einer Demenz. Dies kann ein Hirntumor oder eine krankhafte Erweiterung der Hohlräume im Gehirn sein. Aus diesem Grund kann es sinnvoll sein, CT und MRT auch bei einer Frühform der Demenz anzuwenden.

Neuere Verfahren wie Single Photon Emission Computed Tomography (SPECT) und Positronen-Emissionstomographie (PET) können in unklaren Fällen und in Frühstadien zur Sicherung der Diagnose beitragen. So kann eine PET-Untersuchung z.B. einen verminderten Zuckerstoffwechsel im Gehirn nachweisen, obwohl im MRT noch keine Hirnschrumpfung darstellbar ist. Auch ist es neuerdings möglich, die für die Alzheimer-Erkrankung typischen Amyloid-Ablagerungen darzustellen. Der Arzt wird bei allen Patienten mit Verdacht auf Demenz auch Blut abnehmen, um einige behandelbare Ursachen einer Demenz rechtzeitig zu erkennen (z.B. Mangel an Vitamin B12 oder an Schilddrüsenhormonen). Routinemäßig werden auch die Blutzellen ausgezählt und die Konzentration einiger wichtiger Blutbestandteile gemessen (Salzgehalt, Langzeitblutzucker und Leberenzyme).

Eine sehr empfindliche Methode zur Feststellung einer Alzheimer-Erkrankung ist die Untersuchung des Nervenwassers (Liquor). Bei Alzheimer-Kranken sind die Konzentrationen von beta-Amyloid und Tau-Protein im Liquor in charakteristischer Weise verändert.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass eine einzelne Untersuchung nicht viel aussagt. Erst wenn eine Reihe von Untersuchungen vorliegen, kann der Arzt die richtige Diagnose stellen.

Abgrenzung zu anderen Krankheiten

Zur Feststellung einer Demenz bei Alzheimer-Krankheit müssen andere Erkrankungen, die ebenfalls Anzeichen einer Demenz zeigen können, abgeklärt werden: Hierzu gehören u.a. eine Verkalkung der Hirngefäße (vaskuläre Demenz), eine  Demenz mit Lewy-Körperchen , gut- und bösartige Hirntumore, AIDS, ein Parkinson-Syndrom, die Erbkrankheit Chorea Huntington, eine Unterfunktion der Schilddrüse (Hypothyreose) und ein Vitaminmangel z.B. an B12, Folsäure oder B-Vitamin Niacin. Weiter können Erkrankungen der Nieren, der Leber und der Bauchspeicheldrüse zu einer Demenz führen. Auch Alkohol- bzw. Substanzmissbrauch (vor allem Drogen, Schlaf- und Beruhigungsmittel) müssen ausgeschlossen werden.

Immer wieder kommt es vor, dass Patienten mit depressiven Erkrankungen aufgrund der psychischen und körperlichen Verlangsamung für dement gehalten werden („Pseudodemenz"). Der Facharzt kann hier mit speziellen Untersuchungen und Tests in der Regel zwischen den beiden Krankheiten unterscheiden. Allerdings entwickeln rund die Hälfte der Alzheimer-Patienten im Laufe ihrer Demenz depressive Verstimmungen, sie sind möglicherweise die Reaktion der Betroffenen auf die nachlassenden geistigen Fähigkeiten.

Fachliche Unterstützung: Priv.-Doz. Dr. med. Juraj Kukolja, Köln