Neurologen und Psychiater im Netz

Das Informationsportal zur psychischen Gesundheit und Nervenerkrankungen

Herausgegeben von den Berufsverbänden für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland.

Anpassungsstörung - Diagnose

Zunächst wird der Arzt die Symptomatik erfragen, insbesondere um welche Beschwerden es sich handelt, wie häufig und wie schwer sie auftreten. Es wird geklärt, ob der Betroffene noch in der Lage ist, sich situationsangemessen zu verhalten, ob die Bewältigung seines Alltags eingeschränkt ist - er also beispielsweise weiterhin seinem Beruf nachgehen kann, die Kinder versorgen kann usw.. 

Das Ergebnis des Gesprächs mit dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie dient als Grundlage für die Abgrenzung zwischen einer normalen Reaktion auf ein belastendes Lebensereignis/-situation und einer be-handlungsbedürftigen Anpassungsstörung. Dabei wird sich der Arzt auch ein Bild von der Persönlichkeit des Betroffenen machen, um einschätzen zu können, welche Ressourcen zur Bewältigung der Belastung vorhan-den. Hierzu gehören u.a. folgende Aspekte:

  • Wie ist der Patient mit früheren negativen Ereignissen umgegangen, und kann er in der vorliegenden Situation hilfreiche individuelle Bewältigungs-Strategien einsetzen?
     
  • Drohen neue Stress-Situationen, in welchem Kontext ist dem Betroffenen das Ereignis passiert?
     
  • In welchem Maße ist bei einer Therapie mit der Unterstützung der Familie und des sonstigen sozialen Umfelds zu rechnen?
     
  • Wie hoch muss ein mögliches Suizidrisiko eingeschätzt werden, das bei Menschen mit Anpassungsstörungen allgemein als erhöht gilt?

Auch die Abgrenzung einer möglichen Anpassungsstörung von anderen psychischen Erkrankungen -insbesondere Belastungsstörungen - ist Teil der Diagnose. Eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) und die akute Belastungsstörung werden beide durch extreme Stressoren ausgelöst und zeigen ein spezifisches Beschwerdebild, wodurch eine Abgrenzung möglich wird. Grundsätzlich wird auch das mögliche Vorliegen körperlicher und hirnorganischer Erkrankungen (z.B. Demenz) abgeklärt. Verschiedene krankheitstypische Aspekte werden bei der Diagnose berücksichtigt und ermöglichen den Ausschluss anderer Erkrankungen.

Beispielsweise leiden Menschen mit einer Depression ganz allgemein unter Situationen und Ereignissen, sie können sich über nichts freuen. Patienten mit Anpassungsstörungen können ihr Problem hingegen in der Regel genau benennen. Auch wenn sie diesbezüglich sehr traurig sind, können sie sich über positive Dinge in anderen Lebensbereichen freuen und reagieren zeitweise emotional unauffällig.

Grundsätzlich finden sich im Vorfeld der Erstmanifestation fast aller psychischen Erkrankungen psychosoziale oder körperliche Belastungsfaktoren. Bei den Anpassungsstörungen stellen diese Belastungen eine Voraussetzung dar, ohne die keine Diagnose gestellt werden kann. Sind die Symptome als Reaktion auf eine Belastung so ausgeprägt, dass die Kriterien für eine andere, schwerere psychische Erkrankung (z.B. Depression, Angststörung) erfüllt sind, wird keine Anpassungsstörung, sondern eben z.B. eine Depression oder eine Angststörung diagnostiziert und entsprechend behandelt.

Fachliche Unterstützung: Prof. Dr. med. Ulrich Schnyder, Zürich (SGPP), Dr. Roger Pycha, Bruneck (SIP)