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Das Informationsportal zur psychischen Gesundheit und Nervenerkrankungen

Herausgegeben von den Berufsverbänden für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland.

Was sind Angsterkrankungen bzw. Angststörungen?

Es gibt keinen Menschen, der frei von Angst ist. Angst rettet uns ständig das Leben, wenn wir auf der Straße nach rechts und links schauen, uns im Auto anschnallen, uns auf einem steilen Weg am Geländer festhalten, bei einer Lungenentzündung Antibiotika schlucken, bei Sturm nicht aus dem Haus gehen oder nachts die Haustür abschließen. Ohne dass es uns immer bewusst ist, führt uns Angst durch die Gefahrnisse des Lebens.
Bei manchen Menschen nimmt die Furcht aber ein übersteigertes Ausmaß an. Dann spricht man von einer Angsterkrankung. Angsterkrankungen zählen neben Depressionen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen.

Die wichtigsten Formen sind:

  • Panikstörung mit oder ohne Agoraphobie
     
  • Generalisierte Angststörung
     
  • Soziale Angststörung
     
  • Spezifische Phobien

Eine unbehandelte Angststörung kann sich immer mehr verselbstständigen. Es kommt zur „Angst vor der Angst" (Erwartungsangst), und Angst auslösende Orte und Situationen werden vermieden. Als Folge ziehen sich die Betroffenen immer mehr aus dem Leben zurück. Neben den Ängsten und den damit einhergehenden körperlichen Symptomen leiden sie unter einem mangelnden Vertrauen in die eigene Stärke und unter dem Gefühl des Ausgeliefertseins. Die Patienten quälen sich außerdem häufig mit Ein- und Durchschlafstörungen und haben aufgrund der Auswirkungen ihrer Krankheit oft Probleme in der Partnerschaft oder der Familie sowie im Berufsleben. Manchmal wird als falsch verstandener „Selbstbehandlungsversuch" Alkohol konsumiert, da er kurzfristig die Angst lindern kann. Eine Gefahr liegt auch im Dauergebrauch von Beruhigungsmitteln wie den Benzodiazepinen, die nur für den kurzfristigen Einsatz geeignet sind.

Panikstörung

Bei der Panikstörung leidet man unter wiederkehrenden schweren Angstanfällen mit heftigen körperlichen und psychischen Symptomen wie:

  • Atemnot
     
  • Benommenheit
     
  • Gefühl der Unsicherheit, Gefühl in Ohnmacht zu fallen, weiche Knie, Schwindel
     
  • Herzklopfen oder unregelmäßiger Herzschlag
     
  • Zittern oder Beben
     
  • Schwitzen
     
  • Erstickungsgefühle, Engegefühl im Hals
     
  • Übelkeit, Bauchbeschwerden
     
  • Entfremdungsgefühle (Gefühle der Unwirklichkeit, Gefühle, nicht da zu sein)
     
  • Hitzewallungen oder Kälteschauer
     
  • Schmerzen, Druck oder Enge in der Brust
     
  • Furcht, zu sterben
     
  • Angst, die Kontrolle zu verlieren
     
  • Angst, wahnsinnig zu werden
     
  • Taubheits- oder Kribbelgefühle

Eine Attacke kann wenige Minuten und im Extremfall einige Stunden anhalten - die meisten Panikattacken dauern jedoch nicht länger als 30 Minuten. Die Häufigkeit der Attacken kann zwischen mehrfach täglich bis monatlich schwanken. Die Patienten leben manchmal in ständiger Angst vor der nächsten Attacke. Nicht selten stellen sie sich in der Notfallambulanz eines Krankenhauses vor oder gehen oft von Arzt zu Arzt, weil sie das Vorliegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung, wie zum Beispiel eines Herzinfarkts befürchten.

Panikattacken können völlig überraschend entstehen, zum Beispiel, während man sich in Ruhe vor dem Fernseher befindet. Sie  können sie aber auch in bestimmten Situationen ausgelöst werden. In etwa zwei Drittel der Fälle ist die Panikstörung mit einer Agoraphobie (auch Platzangst genannt) verbunden; dabei hat der Betroffene in bestimmten Situationen oder Orten Furcht und meidet sie. Meist sind dies Orte, an denen es schwierig wäre, einen Arzt herbeizuholen oder Situationen, in denen man befürchtet, nicht schnell genug heraus zu kommen oder peinliches Aufsehen zu erregen, wenn man wegen einer Panikattacke Hilfe benötigt:

  • Menschenmengen
     
  • öffentliche Plätze
     
  • Reisen über weite Entfernungen von zu Hause
     
  • alleine verreisen,
     
  • in einer Schlange stehen
     
  • Fahrstuhl, Bus oder Auto zu fahren
     
  • im Flugzeug fliegen

In schweren Fällen können die Betroffenen ihr sicheres gewohntes Umfeld kaum noch allein verlassen und sind an das Haus gebunden.

Frauen erkranken zweimal häufiger als Männer an Panikstörungen. Etwa 2 bis 3 Prozent der Bevölkerung leiden an dieser Angststörung. Die meisten Patienten entwickeln die Symptome zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. Mitte 30 ist die Ausprägung am stärksten; nach dem 45. Lebensjahr verlieren sich die Symptome oft.

Generalisierte Angststörung

Das wesentliche Symptom der generalisierten Angststörung sind anhaltende Sorgen oder Ängste, die viele Lebensbereiche umfassen und nicht auf bestimmte Situationen beschränkt ist. Die Angst kann ohne Grund auftreten. Oft machen sich die Betroffenen aber auch Sorgen über reale Bedrohungen, wie zum Beispiel Autounfälle oder Erkrankungen, die Verwandten zustoßen könnten; dabei ist ihre Furcht in unrealistischer Weise übersteigert. Die Patienten sind innerlich unruhig, angespannt, nervös und haben häufig Schlafstörungen. Ein wichtiges Merkmal ist das Gefühl einer nahenden Katastrophe. Angstsymptome treten nicht - wie bei der Panikstörung - alle gleichzeitig in Form eines plötzlichen Angstanfalls auf, sondern einzeln und über den Tag verteilt:

  • Herzrasen
     
  • Zittern 
     
  • Ruhelosigkeit
     
  • Schwitzen
     
  • kalte und feuchte Hände
     
  • Mundtrockenheit
     
  • Übelkeit
     
  • „Kloßgefühl" im Hals
     
  • Muskelverspannungen im Rücken

Die Sorgen führen dazu, dass sich die Patienten Dinge vermeiden oder aufschieben, wie zum Beispiel Reisen. Die Abgrenzung zu Depressionen fällt oft schwer.
Die generalisierte Angststörung ist bei Frauen häufiger. Rund 4 bis 6 Prozent der Bevölkerung leiden unter dieser Angsterkrankung. Sie beginnt meist um das 30. Lebensjahr herum und kann auch im höheren Lebensalter noch bestehen.

Soziale Angststörung (Soziale Phobie)

Die Soziale Phobie ist eine extreme Form der Schüchternheit. Menschen mit einer Sozialphobie haben in Situationen Angst, in denen sie sich von ihren Mitmenschen kritisch betrachtet oder beobachtet fühlen:

  • in einer Situation zu sein, in der alle Blicke auf einen gerichtet sind, eine Rede  halten, ein Gedicht aufzusagen oder ein Lied vor anderen zu singen
     
  • sich in einer Unterrichtsstunde melden oder etwas an die Tafel  schreiben
     
  • eine Prüfung ablegen
     
  • zu einer Behörde oder zu einem Arzt zu gehen
     
  • mit einem Vorgesetzten sprechen
     
  • sich in einem Streitgespräch gegenüber anderen durchsetzen
     
  • in einem Restaurant essen
     
  • im Beisein anderer Menschen zu telefonieren
     
  • einen Fremden ansprechen
     
  • sich zu einer Verabredung  treffen
     
  • eine Frau/einen Mann kennen zu lernen

Menschen mit einer Sozialphobie vermeiden deshalb solche Situationen. Wenn sie solche Situationen durchstehen müssen, leiden sie unter Erröten, Zittern, Angst zu Erbrechen oder Toilettendrang.

Rund sieben Prozent der Bevölkerung sind von sozialer Phobie betroffen. Die Angststörung beginnt meist schleichend schon in der Kindheit oder Jugend. Am schlimmsten sind die sozialen Ängste zwischen dem 20. und dem 35. Lebensjahr; danach können sie sich oft bessern.

Spezifische Phobien

Bei den spezifischen Phobien wird die Furcht durch einzelne Objekte oder Situationen hervorgerufen, die in der Regel ungefährlich oder harmlos sind. Dazu gehört die Furcht vor Tieren (Hunde, Katzen, Mäuse), Insekten wie Wespen, Spinnen, die Höhenphobie sowie die Blut- und Verletzungsphobien (z.B. Angst vor Spritzen). Schon der Gedanke an die entsprechenden Situationen oder Objekte verursacht Angst, die von leichtem Unbehagen bis hin zur panischen Angst reichen kann. Dass anderen Menschen die gleiche Situation nichts ausmacht, lindert die Furcht der Betroffenen nicht. Oft wissen die Patienten, dass sie übertrieben reagieren, und schämen sich dafür.

Frauen sind häufiger als Männer von Phobien betroffen. 75 bis 90 Prozent der Patienten mit Tierphobien und 55 bis 70 Prozent der Patienten mit Phobien vor Blut oder Verletzungen sind weiblich.

Fachliche Unterstützung: Prof. Dr. med. Borwin Bandelow (Autor), Göttingen (DGPPN) und PD Dr. med. Michael Rufer, Zürich (SGPP)