Neurologen und Psychiater im Netz

Das Informationsportal zur psychischen Gesundheit und Nervenerkrankungen

Herausgegeben von den Berufsverbänden für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland.

Polyneuropathie: Erkrankungsbild, Symptome und Beschwerden

Diabetische Polyneuropathie

Die Beschwerden einer diabetischen Polyneuropathie hängen davon ab, welcher Nervenfasertyp betroffen ist. Auch das Ausmaß der Symptome ist sehr unterschiedlich. Viele Diabetiker haben nur Gefühlsstörungen, andere Gefühlsstörungen und Kraftstörungen, viele haben Schmerzen. Charakteristisch ist das Auftreten zunächst an Zehen und Füßen, dann auch an Fingern, Händen und Knöcheln bzw. Unterschenkeln. Mit fortschreitender Erkrankung können Nervenzellen absterben. Bei manchen Patienten ist die Polyneuropathie das erste Anzeichen einer bestehenden Zuckerkrankheit. Die Betroffenen wenden sich wegen Taubheit, Kribbeln oder Schmerzen an den Arzt, der erst dann einen Diabetes mellitus feststellt.

Die diabetische Polyneuropathie entwickelt sich in den meisten Fällen sehr langsam. Auch sind die Beschwerden anfänglich oft sehr milde. Der Verlauf ist vielfach sogar so schleichend, dass die betroffenen Blutzuckerpatienten selbst lange nichts bemerken, weil sie sich an die sich allmählich verändernde Wahrnehmungsfähigkeit anpassen. So wird die diabetische Polyneuropathie eher selten im Anfangsstadium erkannt. Spezialärzte für Diabetes mellitus (Endokrinologen, Diabetologen) kennen natürlich die Komplikation der diabetischen Polyneuropathie, so dass ein systematisches „Abfragen“ charakteristischer Symptome und das Suchen nach typischen Anzeichen zur Betreuung diabetischer Patienten gehört. Es gibt allerdings auch eine Form, die so genannte fokale Neuropathie, bei der es plötzlich zu starken Beschwerden kommt.

Die diabetische Polyneuropathie betrifft alle Arten von Nerven, sensorische ebenso wie motorische und vegetative.

Beschwerden bei diabetischer Polyneuropathie:

„Kribbeln“ oder „Ameisenlaufen“ auf der Haut (Parästhesien)

Das Berühren von warmen oder kalten Gegenständen kann unangenehm sein, die Mediziner sprechen von so genannten Dysästhesien (Fehlempfindungen). Typisch ist auch ein Pelzigkeits- und Taubheitsgefühl an den betroffenen Extremitäten. Gelegentlich fühlt sich ein betroffenes Bein geschwollen an, obwohl es nicht verdickt ist. Andere Patienten spüren einen unangenehmen Druck an den Füßen, auch wenn die Schuhe nachweislich nicht zu eng sind. Sie meinen „wie auf Watte“ zu gehen. Die Temperaturempfindung im Bereich der geschädigten Nerven kann gestört oder gar nicht mehr vorhanden sein. Die Patienten fallen häufig durch einen unsicheren Gang auf, vor allem im Dunkeln. Wenn die Schmerzempfindung gestört ist, kommt es zu schmerzlosen Wunden, die wegen der gestörten Funktion auch nicht gut heilen und gefährliche Eintrittsstellen für Infektionen sind. Andererseits zeigen sich spontan Schmerzen, die als brennend oder auch bohrend, einschießend, stechend oder krampfartig geschildert werden.

Muskelschwäche an Händen und Füßen

Mit dem Nachlassen der Muskelkraft werden die Muskeln dünner. Es kann sogar zu Fehlstellungen der Gliedmaßen, insbesondere des Fußgewölbes kommen. Mitunter werden Muskelzuckungen, nicht selten Muskelkrämpfe (besonders Wadenkrämpfe) beobachtet.

Verdauungsstörungen

Viele Patienten klagen über Schluckstörungen, Völlegefühl oder Erbrechen. Aber auch wechselweise Durchfall (nachts!) und Verstopfung können manchmal erste Hinweise auf eine Polyneuropathie der Verdauungsorgane (autonome Polyneuropathie) sein. Die Beeinträchtigung der Magenentleerung ist ein Problem, das oft spät erkannt und zu wenig bedacht wird. Gefährliche Unterzuckerungen sind die Folge.

Benommenheit und Ohnmachtsanfälle nach dem Aufstehen

Benommenheit und Ohnmachtsanfälle beim Aufstehen sind Folge der gestörten Nervenkontrolle der Gefäße. Die Blutgefäße ziehen sich beim Aufstehen nicht wie gewohnt zusammen, so dass der Blutdruck plötzlich abfällt. Dem Patienten wird dann schwindelig, „schwarz vor Augen“ und er kann bewusstlos werden (Synkope).

Schwierigkeiten beim Wasserlassen und Impotenz

Die Schädigung autonomer Nervenfasern führt auch dazu, dass Diabetiker beispielsweise kein Gefühl mehr haben, wie stark die Harnblase gefüllt ist. Die Folge ist unkontrolliertes Wasserlassen. Bei Männern können Potenzstörungen auftreten.

Gewichtsverlust und Depression

Gewichtsabnahme und Depression sind keine direkte Folge der diabetischen Polyneuropathie, allerdings aufgrund der andauernden Schmerzen eine häufige Begleiterscheinung.

Fachliche Unterstützung: Prof. Dr. Peter Berlit, Essen (DGN) und PD Dr. Andrea Jaspert-Grehl, Essen (DGN)