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Das Informationsportal zur psychischen Gesundheit und Nervenerkrankungen

Herausgegeben von den Berufsverbänden für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland.

Diagnostik bei Verdacht auf ADHS

Bei Verdacht auf eine ADHS bedarf es einer gründlichen Abklärung durch einen Kinder- und Jugendpsychiater oder einen erfahrenen Kinder- und Jugendarzt, der sich auf Diagnostik und Behandlung von ADHS spezialisiert hat. Dieser kann mit verschiedenen Test- und Untersuchungsverfahren und Fragebögen ADHS diagnostizieren und erforderliche Therapiemaßnahmen einleiten. Es bedarf einer großen Erfahrung, um die Störungsmerkmale von altersgemäßen, typischen Verhaltensweisen und anderen Krankheiten zu differenzieren.

Die drei Hauptanzeichen einer ADHS – Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität - können von Patient zu Patient unterschiedlich ausgeprägt sein. Damit überhaupt von einer ADHS ausgegangen werden kann, müssen die Verhaltensauffälligkeiten über einen längeren Zeitraum, wenigstens über sechs Monate, vorhanden sein und schon im Vorschulalter, in mindestens zwei Lebensbereichen (bspw. Familie und Kindergarten/Schule), beobachtet worden sein. Die Eltern empfinden das Leben mit betroffenen Kindern meist von klein auf als äußerst anstrengend, eine ADHS kann aber erst sicher nach dem 3. Lebensjahr diagnostiziert werden.

Wichtige Bausteine im Rahmen der Diagnosestellung können sein:

  • Umfassende Anamnese der Eltern/der Betroffenen
     
  • Evtl. körperliche Untersuchung und neurologische Untersuchungen der Fein- und Grobmotorik, der Bewegungskoordination sowie der Sinnesorgane (u.a. Testung der Sehstärke, des Hörvermögens)
     
  • Evtl. testpsychologische Untersuchungen (Begabungsuntersuchungen, Intelligenz- und Aufmerksamkeitstests, Überprüfung schulischer Fähigkeiten im Lesen, Schreiben und Rechnen), Untersuchung der emotionalen und sozialen Entwicklung)
     
  • Verhaltensbeobachtungen und -bewertung (Verhaltensbeschreibungen aus Alltagssituationen von unterschiedlichen Personen wie Eltern, Verwandten, Lehrern, Erziehern, Kinder- und Jugendarzt, Freunden etc., evtl. Videoaufzeichnungen von Alltagssituationen, Feststellen von Stärken/Kompetenzen und Schwächen/Defiziten)
     
  • Evtl. weitere Untersuchungen: evtl. Messung der Hirnströme (EEG) und der Herztätigkeit (EKG) sowie Blutuntersuchungen (insbesondere bei geplanter Medikamentengabe)

Im Rahmen der differentialdiagnostischen Untersuchung ist es wichtig, begleitende Probleme wie Störungen im Sozialverhalten, Lernschwierigkeiten, depressive Verstimmungen, Angst o. Ä. zu erkennen, um sie gegebenenfalls gesondert behandeln zu können. Alle diese Störungen können nicht nur mögliche Begleiterscheinungen der ADHS (Komorbidität) sein, sondern auch das verursachende Krankheitsbild, das die Verhaltensauffälligkeiten hervorruft. Diese Erkrankungen müssen vor der Diagnosestellung als Ursache der Symptomatik ausgeschlossen werden, denn unter Umständen können Intelligenzminderung (oder in selten Fällen auch Hochbegabung), Schädel-Hirn-Traumen, Epilepsie, Schilddrüsenstörungen und andere psychische Erkrankungen (z.B. kindliche depressive Verstimmungen, Ängste, Zwangserkrankungen, tiefgreifende Entwicklungsstörungen (wie z. B. Asperger Syndrom), Psychosen bei Jugendlichen (Schizophrenie), posttraumatische Belastungsstörungen) zu ähnlichen Anzeichen wie bei einer ADHS führen. Auch bestimmte Medikamente (z.B. Psychopharmaka wie Phenobarbital gegen epileptische Anfälle) können ADHS-ähnliche Symptome auslösen.

Fachliche Unterstützung: Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Tobias Banaschewski, Mannheim (DGKJP)