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Herausgegeben von den Berufsverbänden für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland.

Persönlichkeitsstörungen - Therapie

Für die Behandlung von Persönlichkeitsstörungen sind psychotherapeutische Methoden und Verfahren von größter Bedeutung. Für jede Störung gibt es bestimmte Therapiekonzepte, die die jeweiligen Gegebenheiten berücksichtigen. Für einige Persönlichkeitsstörungen gibt es inzwischen maßgeschneiderte Behandlungskonzepte, die sehr gut wirksam sind. Das ist besonders für die Borderline-Störung, die dissoziale Persönlichkeitsstörung sowie die selbstunsichere (ängstlich-vermeidende) Persönlichkeitsstörung der Fall. Für die Therapie ist entscheidend, in welcher Situation sich der Betroffene zum Behandlungszeitpunkt befindet. Steckt der Patient in einer (emotionalen) Krisensituation oder liegen sogar Suizidtendenzen vor, wird der Therapieverlauf anders sein, als bei einem verhältnismäßig stabilen Patienten.

Sofern weitere (psychische) Erkrankungen vorliegen (Depressionen, Angsterkrankungen, Posttraumatische Belastungsstörungen), werden diese ebenfalls behandelt. Je nach Art und Ausprägung der Erkrankung kommen hier ebenfalls psychotherapeutische, aber auch medikamentöse Therapien in Frage.

Paranoide Persönlichkeitsstörung

Paranoide Persönlichkeiten suchen selten Hilfe, weil sie als Ursache für ihre Probleme ihre Umwelt verantwortlich machen. Eine Psychotherapie suchen sie nur auf, wenn sie in eine emotionale Krise geraten, mit der sie alleine nicht umgehen können. Das wichtigste Therapieziel ist, das Misstrauen gegenüber anderen abzubauen und soziale Kompetenzen zu verbessern.

Die inneren Annahmen, die ein paranoider Mensch für sich trifft müssen in Verhaltensanalysen aufgeschlüsselt und mit der Realität verglichen werden. So kann erfahren werden, dass das Gegenüber in vielen Situationen keine Gefahr darstellt, sondern freundlich gestimmt und wohl gesonnen ist.

Eine Gruppentherapie kann sinnvoll sein, um an dem starken Rückzugswunsch und den mangelnden zwischenmenschlichen Auseinandersetzungen zu arbeiten. In Rollenspielen können die Menschen lernen, dass sie über positive Fähigkeiten, wie eine gute Beobachtungsgabe, verfügen, und diese zur Problemlösung und zum Verständnis des Gegenübers heranziehen können.

Schizoide Persönlichkeitsstörung

Schizoide Persönlichkeiten empfinden sich selbst meist nicht als behandlungsbedürftig. Da sie nicht unter den mangelnden Sozialkontakten leiden, besteht in der Regel nicht der Wunsch, etwas zu verändern. Die Notwendigkeit, im Beruf im Team zu arbeiten oder Depressionen, Angsterkrankungen oder psychotische Störungen können jedoch dazu führen, dass ein schizoider Mensch Hilfe sucht.
Eine Psychotherapie kann nur erfolgreich sein, wenn es gelingt, ein gutes Verhältnis zum Therapeuten aufzubauen. Da schizoide Menschen nur schwer Vertrauen in andere Menschen fassen, ist der Aufbau dieser Beziehung entscheidend und dauert meist lange. Das Ziel der Therapie ist es, die Gefühlsvorgänge zu aktivieren und die soziale Interaktion mit Mitmenschen zu intensivieren oder sogar erst zu ermöglichen. Bei schizoiden Persönlichkeiten ist eine Einzeltherapie einer Gruppentherapie vorzuziehen, da die stabile Beziehung zum Therapeuten erfolgversprechender ist.

Histrionische Persönlichkeitsstörung

Das Hauptziel einer Psychotherapie zur Behandlung der histrionischen Persönlichkeitsstörung sind die Förderung der autonomen, authentischen Interaktion mit anderen und die Stabilisierung des Selbstwertgefühls. Es soll erlernt werden, Gefühle zu erkennen, zu benennen, differenziert zu betrachten und schließlich angemessen zu kommunizieren. Erfolgversprechend ist die Arbeit mit Gefühlsprotokollen, Therapietagebüchern oder Selbstbeobachtungsbögen.
Im Laufe der Therapie lernt der Patient, wie seine Verhaltensweisen und sein Auftreten mit seiner persönlichen Lebenserfahrung zusammenhängen. Da sich histrionische Menschen stark über andere definieren, besteht ein Teil der Therapie darin zu erlernen, regelmäßig Tätigkeiten und Aktivitäten alleine durchzuführen.

Narzisstische Persönlichkeitsstörung

Für narzisstische Persönlichkeiten ist bei einer Psychotherapie die stabile Beziehung zum Therapeuten extrem wichtig. Häufig kommen Patienten erst in eine Therapie, wenn sie sich in einer existenziellen Krise befinden oder einen Suizidversuch verübt haben. Da diese Menschen sehr empfindlich gegenüber Kritik sind, muss der Therapeut eine angemessene Balance zwischen Wertschätzung und kritischer Rückmeldung finden.

Die Hauptziele der Therapie bestehen in einem Abbau des überhöhten Selbstbildes, einer verbesserten Kritikfähigkeit und in der Förderung der Empathie. Eine Gruppentherapie kann helfen, in Rollenspielen den Blickwinkel anderer Personen zu verstehen und das Einfühlungsvermögen zu verbessern.

Emotional instabile Persönlichkeitsstörung (Borderline-Typus)

Die spezifische Psychotherapie ist die wichtigste und zentrale Komponente der Behandlung der Borderline-Störung. Ebenso ist ergänzend eine medikamentöse Therapie möglich.
Weitere ausführliche Informationen finden Sie im Artikel Borderline-Störung.

Dissoziale Persönlichkeitsstörung

Bei der dissozialen Persönlichkeitsstörung bedarf es einem Paket aus verschiedenen psychotherapeutischen Therapiemethoden, um einen Erfolg erzielen zu können (z.B. das Reasoning Rehabilitation Programm, R&R-Programm). Ziel des R&R-Programms ist die Verbesserung der Selbstkontrolle, sozialer Fertigkeiten, von Problemlösefähigkeiten, der Entwicklung von Werten und der Übernahme von Verantwortung für das eigene Handeln und damit von Merkmalen, die in engem Zusammenhang mit ihrem abweichenden (devianten) und kriminellen Verhalten stehen.
Dissoziale Persönlichkeiten begeben sich häufig nicht von selbst in eine Therapie. Vielmehr sind es Auflagen des Gerichts, des Jugendamtes oder Forderungen des Partners, die diesen Menschen zum Therapeuten führen.

Liegen zusätzlich zu der Persönlichkeitsstörung weitere Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen vor, so müssen diese ebenfalls behandelt werden. Gegebenenfalls kommen aggressionsmindernde Medikamente zum Einsatz.

Selbstunsichere Persönlichkeitsstörung

Die selbstunsichere Persönlichkeitsstörung wird mit Psychotherapie behandelt. Für einen schüchternen sensiblen Menschen ist eine vertrauensvolle Beziehung zum Therapeuten, der Sicherheit vermittelt, von besonderer Bedeutung. Der Fokus der Behandlung liegt im Abbau der sozialen Ängste.

Zu Beginn der Therapie wird der Patient über seinen Persönlichkeits- und Verhaltensstil aufgeklärt. Zusammen wird erarbeitet, wie es zur Entstehung kam und wie die Gedanken, Gefühle und Auswirkungen miteinander zusammen hängen. Im weiteren Verlauf der Therapie werden die aktuellen Verhaltensweisen mit der Lebensgeschichte des Patienten in Zusammenhang gebracht. So kann der Patient verstehen, warum sich bestimmte Verhaltensweisen entwickelt haben. Es ist das Ziel, die negative Gedankenschleife, in der der Patient gefangen ist, zu durchbrechen und zu förderlichen, positiven Gedanken „umzuprogrammieren“.

Da selbstunsichere Patienten unangenehme Situationen vermeiden, wird versucht, sie langsam und schrittweise ähnlichen, vorher analysierten Situationen auszusetzen. Besonders bewährt hat sich hierfür die Gruppentherapie, da die Gruppensituation an sich bereits eine Konfrontation mit der unangenehmen Situation darstellt. Hier lernt der Patient nach und nach, dass er nicht minderwertig ist, sondern durchaus Fähigkeiten und Ressourcen hat.

Ergänzend können Entspannungstechniken wie Progressive Muskelentspannung sinnvoll sein, welche helfen, die starke körperliche Unruhe und Erregung zu kontrollieren.

Dependente Persönlichkeitsstörung

Die dependente Persönlichkeitsstörung wird mit Psychotherapie behandelt. Das Hauptziel der Therapie ist, die Unabhängigkeit und Autonomie des Patienten zu stärken. Dazu muss erlernt werden, eigene Wünsche und Bedürfnisse zu erkennen und sich dafür nach außen hin einzusetzen. Da die Patienten sich leicht anpassen, muss der Therapeut besonders darauf achten, dass vermeintliche Fortschritte aufgrund großer Kooperationsbereitschaft auch zu einer inneren Entwicklung führen und nicht nur einen erneuten Anpassungsprozess darstellen.

In detaillierten Gesprächen und Analysen wird der Einfluss aktueller Verhaltensweisen auf private und berufliche Beziehungen erarbeitet und untersucht, wie die Mitmenschen darauf reagieren. Besonders bewährt hat sich die Gruppentherapie, da der Patient in einem sicheren Umfeld neue Handlungswege und selbstsicheres Verhalten üben kann. Positive Erfahrungen führen zu einer Bestärkung des Patienten über den eingeschlagenen Weg.

Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung

Viele Menschen mit zwanghafter Persönlichkeitsstörung kommen im Alltag gut zurecht. In eine Therapie kommen sie meist erst, wenn sie durch Veränderungen im Umfeld nicht mehr zur Ruhe kommen, da eine Anpassung aufgrund der mangelnden Flexibilität nicht gelingt. In der Folge können Depressionen oder Angststörungen auftreten. Das vorrangige Ziel der Therapie ist die Entwicklung von mehr Gefühlsorientiertheit, Spontaneität und Risikobereitschaft. Mit Hilfe einer Psychotherapie kann das gelingen. Die Aufklärung und Erläuterung der positiven und negativen Aspekte der extremen Gewissenhaftigkeit helfen dabei, bisherige Lebenseinstellungen zu reflektieren, zu überdenken und möglicherweise neue Perspektiven zu entwickeln. Der Therapeut versucht zusammen mit dem Patienten zu erschließen, dass mit zwischenmenschlichen Interaktionen Probleme gelöst werden können und dafür nicht zwingend das Festhalten an Regeln und Normen notwendig ist. Für die Patienten ist es wichtig, dass auch die Genussfähigkeit gefördert wird. Das ist mit der Euthymen-Therapie möglich.

Fachliche Unterstützung: Prof. Dr. med. Sabine C. Herpertz, Heidelberg (DGPPN)