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Herausgegeben von den Berufsverbänden für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland.

Anlässlich des Welttags für psychische Gesundheit am 10. Oktober

© Dmitry Naumov_Fotolia.com

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Zur Förderung der psychischen Gesundheit in Zeiten globaler Veränderungen nimmt ein EU-weites Projekt (MENTBEST) psychische Störungen, Arbeitslose, Migranten und Kinder in den Fokus.

Europa erlebt drastische Veränderungen, die die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden negativ beeinträchtigen können. Als Ursachen zu nennen sind Krieg, Wirtschaftskrise, Klimawandel, Migration, Digitalisierung, Pandemien und demografischer Wandel. Ein neues, europaweites Projekt der European Alliance Against Depression (EAAD) entwickelt und implementiert vor diesem Hintergrund gemeindebasierte Programme zur Förderung der psychischen Gesundheit.

Besondere Beachtung finden dabei vulnerable Gruppen wie Migranten/Flüchtlinge, alte Menschen, Kinder und Jugendliche, Langzeitarbeitslose und Menschen mit psychischen Störungen. Gründe für diese Fokussierung sind beispielsweise die massiven, negativen Folgen der Maßnahmen gegen Corona insbesondere für Kinder und Jugendliche, die drastische Zunahme der Suizidraten bei Männern mit zunehmendem Alter (Statistisches Bundesamt, 2022) und die hohen psychischen Erkrankungsraten und Behandlungsdefizite bei älteren Langzeitarbeitslosen. Zwei Drittel leiden unter einer psychischen Erkrankung, 94 Prozent davon ohne leitlinienkonforme Behandlung, sodass psychische Erkrankungen das größte Vermittlungshemmnis für eine Reintegration in den Arbeitsmarkt darstellen.

Globale Veränderungen wie Klimawandel oder Wirtschaftskrise können reale Ängste, Sorgen, gedrückte Stimmung und Stress (Befindlichkeitsstörungen) auslösen. Hierbei handelt es sich jedoch um nachvollziehbare und nicht krankhafte Reaktionen auf die Bitternisse des Lebens.

Bei Menschen ohne eine entsprechende Veranlagung führen diese zwar zu Leid und reduzierter Lebensqualität, nicht jedoch zu einer richtigen Depression oder einer anderen psychischen Erkrankung. Während Depression und andere psychische Erkrankungen wie alle ernsthaften Erkrankungen leitliniengerecht behandelt werden müssen, gibt es zur Verbesserung der Lebensqualität bei nicht krankhaften psychischen Belastungen eine Reihe von unspezifischen Empfehlungen wie beispielsweise Atem- und Achtsamkeitsübungen zur Stressreduktion oder Sport. Professor Ulrich Hegerl, Vorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention sowie Präsident der EAAD, erklärt: „Mit Yoga, Sport oder Ernährung alleine lässt sich eine depressive Erkrankung nicht behandeln. Dies wäre eine Verkennung der Schwere dieser Erkrankung. Derartige unspezifische Maßnahmen sind aber sehr hilfreich zur Verbesserung der Lebensqualität z.B. über Stressreduktion. Es ist wichtig zu verstehen, dass psychische Erkrankungen etwas völlig anderes als Befindlichkeitsstörungen in Folge schwieriger Lebensumstände sind. Im Projekt MENTBEST werden deshalb Hilfen für beide Bereiche entwickelt und angeboten.“

MENTBEST wird ein Interventionsprogramm für Gemeinden entwickeln und dieses zunächst in Regionen in fünf Ländern (Albanien, Estland, Griechenland, Irland, Spanien) implementieren. Dieses neue Programm baut auf dem bewährten gemeindebasierten 4-Ebenen Interventionsprogramm der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und der EAAD auf, das bereits in mehr als 120 Regionen und 20 Ländern in und außerhalb von Europa zur Behandlung von Depression und zur Suizidprävention angewendet wird. Im Rahmen dieses 4-Ebenen-Programms wird mit Hausärzten kooperiert (Ebene 1), eine professionelle Aufklärungskampagne für die breite Öffentlichkeit gefahren (Ebene 2) und Multiplikatoren wie Lehrer, Pfarrer, Journalisten, Altenpfleger, Polizisten geschult (Ebene 3). Außerdem werden Betroffene und deren Angehörige über Psychoedukation sowie über digitale Selbsthilfe-Programme unterstützt (Ebene 4). Im Rahmen von MENTBEST wird dieses auf Depression und Suizidprävention fokussierte Programm um Bausteine für die Unterstützung von Menschen mit nicht-krankhaften psychischen Belastungen erweitert.

Teil des MENTBEST-Projekts ist zudem die Entwicklung und Erprobung einer App, mit deren Hilfe Menschen über lange Zeiträume Biosensor- sowie Selbstmonitoring-Daten erfassen und KI-gestützt analysieren lassen können, um so mehr über ihre Erkrankung zu lernen und besser mit ihr umgehen zu können.

Quelle: Stiftung Deutsche Depressionshilfe