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Somatoforme Störungen sind weitgehend unbekannt, aber nicht selten

© Adam Gregor_Fotolia.com

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Bei somatoformen Störungen liegen trotz sorgfältiger fachärztlicher Abklärung keine oder kaum nachweisbare Organbefunde vor. Betroffenen kann eine psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung helfen. Darauf weisen Experten des BVDP hin.

Rund ein Drittel der Patient:innen, die hierzulande aufgrund diffuser Beschwerden oder Schmerzen einen Hausarzt aufsuchen, leiden unter einer somatoformen Störung. Dennoch ist die Diagnose „Somatoforme Störung“ in unserer Bevölkerung noch weitgehend unbekannt. Geläufiger sind andere Begriffe, die ebenfalls dieses Störungsbild bezeichnen, wie z.B. funktionelle Rückenschmerzen oder chronisches Erschöpfungssyndrom. „Während bei psychosomatischen Erkrankungen organische Schäden oder Gewebsschädigungen aufzufinden sind, liegen bei somatoformen Störungen trotz sorgfältiger fachärztlicher Abklärung keine oder kaum nachweisbare Organbefunde vor. Beiden Gruppen gemeinsam ist aber, dass psychische und/oder soziale Faktoren die Entstehung, den Verlauf und die Folgen der Erkrankung stark mit beeinflussen“, erklärt Dr. Christa Roth-Sackenheim, Vorsitzende des Berufsverbands Deutscher Psychiater (BVDP) mit eigener Praxis für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie in Andernach.
 
Leidensdruck führt oft in einem Teufelskreis zu zunehmender Verschlechterung der Symptome
Betroffene haben oftmals eine regelrechte Ärzte-Odyssee mit zahlreichen körperlichen Untersuchungen ohne eindeutiges Ergebnis hinter sich, bevor auch mögliche psychische Auslöser in Erwägung gezogen werden. Aussagen wie „Sie haben nichts“ oder „Sie bilden sich das alles ein“ sind für Betroffene wenig hilfreich, da sie ihre Beschwerden ja tatsächlich erleben, zum Teil erheblich darunter leiden und keine Simulanten sind. Zumal die Beschwerden bei einer somatoformen Störung genauso belastend sind wie bei einer organischen Erkrankung. „Die Anspannung durch die Beschwerden und die daraus resultierende verstärkte Aufmerksamkeit auf Körpersignale führen bei den Erkrankten häufig in einem Teufelskreis zu einer zunehmenden Verschlechterung der Symptomatik. Um ihre körperlichen Beschwerden zu reduzieren, entwickeln die meisten Betroffenen zudem ein Schonungs- oder Vermeidungsverhalten, was die Problematik weiter verstärkt und soziale Isolation fördert. Darüber hinaus können die körperlichen Symptome Folge- oder Begleiterscheinungen hervorrufen, die das Leben der Betroffenen zusätzlich belasten – wie z.B. sexuelle Gleichgültigkeit, Konzentrationsprobleme, Stimmungsschwankungen, Depressionen und andere Beeinträchtigungen im sozialen Leben“, erläutert Dr. Roth-Sackenheim.

Psychotherapie hilft zugrundeliegende Mechanismen zu erkennen und Kontrolle zu gewinnen
Wenn eine organische Ursache ausgeschlossen wurde, ist es wichtig, auch seelische Einflüsse zu berücksichtigen. Für das Verständnis somatoformer Beschwerden ist es hilfreich, weniger nach Ursachen zu suchen, als vielmehr die zugrundeliegenden Mechanismen zu erkennen. Dabei kann eine psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung helfen. Betroffene bewerten ihre Symptome oft negativ verzerrt, machen sich viele Sorgen um ihre Gesundheit und mögliche Folgen ihrer Beschwerden. Sie richten ihre Aufmerksamkeit stark auf ihre körperlichen Empfindungen und deren Veränderungen. In einer Verhaltenstherapie können Strategien entwickelt werden, um mit den körperlichen Beschwerden besser umgehen zu können, was die Lebensqualität verbessert. Eine weniger ängstliche Interpretation der Beschwerden und gezielte Ablenkungsübungen können beispielsweise helfen, wieder mehr Kontrolle über die Symptomatik zu gewinnen.  

Quelle: S3-Leitlinie „Funktionelle Körperbeschwerden“

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