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Herausgegeben von den Berufsverbänden für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland.

Erhöhtes Suizidrisiko bei psychischen Erkrankungen: Gefährdeten kann gut und nachhaltig geholfen werden

Warum sich Menschen das Leben nehmen wollen, hat meist sehr komplexe Ursachen. Bei allen psychischen Erkrankungen ist das Suizidrisiko gesteigert. Hilfe und Unterstützung zum richtigen Zeitpunkt kann Suizidversuche und Suizid wirksam und auch nachhaltig verhindern.

Warum sich Menschen das Leben nehmen wollen, hat meist sehr komplexe Ursachen. Die Hintergründe reichen oft weit in die persönliche Lebensgeschichte zurück, sie können unter anderem in sozialer Isolation und Vereinsamung, wirtschaftlicher Not, schwerer körperlicher Erkrankung oder psychischen Beeinträchtigungen begründet liegen. Keiner dieser Faktoren erklärt aber Suizidabsichten von allein.
Bei allen psychischen Erkrankungen ist das Suizidrisiko gesteigert. Ein erhöhtes Risiko für Suizidgedanken und -absichten haben insbesondere Menschen mit Psychosen, Suchterkrankungen, ausgeprägten Persönlichkeitsstörungen und depressiven Erkrankungen. Suizidgedanken lassen aber nicht zwangsläufig auf eine psychische Erkrankung schließen. Auch sind nicht alle Personen mit Suizidgedanken gleich gefährdet, einen Suizid zu begehen. Betroffene Menschen sind aber in der Regel auf Hilfe von außen angewiesen und sollten möglichst unmittelbar professionelle Unterstützung erhalten. Suizidgefährdung ist über verschiedene Ansätze gut und nachhaltig behandelbar! „Professionelle Hilfe ist ganz wichtig, denn Betroffene selbst sowie ihre Familienangehörigen und Freunde können mit dem Thema Suizidalität schnell überfordert sein. Man sollte sich nicht davor scheuen, zeitnah die Hilfestellung von Fachleuten zu nutzen. Sie kann ermöglichen, die individuellen Ursachen für Suizidgedanken und Suizidalität für Betroffene erfahrbar zu machen und Suizidgefährdung gezielt zu behandeln“, betont PD Dr. med. habil. Ute Lewitzka von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) mit Sitz der Gesellschaft in Berlin. „Hilfe und Unterstützung zum richtigen Zeitpunkt kann Suizidversuche und Suizid wirksam und auch nachhaltig verhindern.“

Hinsehen, Hinhören und Ansprechen sind erste Hilfsmaßnahmen

Wenn man den Eindruck hat, das Gegenüber ein Freund oder Familienangehöriger könnte an Suizid denken, kann man Betroffene einfach danach fragen. Grundsätzlich sollten auch indirekte Hinweise auf eine Suizidabsicht, wie beispielsweise Äußerungen „Alles sei sinnlos“ nicht bagatellisiert werden. Es ist bei suizidgefährdeten Menschen wichtig, ihre Problemlage einfühlsam ernst zu nehmen und ihnen den Raum zu geben, über ihre Gedanken zu sprechen. Auf diesem Wege können sie oft ihre persönlich erlebte Last verringern. Von großer Bedeutung dabei ist, Verständnis für die betroffenen Personen aufzubringen, so dass sie ihre Notlage vorbehaltlos darlegen können. Simple Versuche zur Aufmunterung, vorschnelle Ratschläge oder vorschnelles Trösten können von den Gefährdeten als kränkend erlebt werden, weil sie in ihrer Not nicht so empfinden können. Im Zustand akuter Suizidgefährdung sind die betroffenen Menschen oft sehr leicht kränkbar und haben ein äußerst labiles Selbstwertgefühl. „Bei Suizidgefährdung ist es gut, die Notwendigkeit von Unterstützungsmaßnahmen zu thematisieren, die je nach individueller Lebenssituation eine Vielzahl von Ansatzpunkten bietet. Eine suizidpräventiv ausgerichtete Versorgung kann unter anderem in Form von Krisen-Intervention, Konfliktberatung, Familien- oder Paartherapie, Schmerzbehandlung oder auch Palliativmedizin bestehen“, erklärt die Expertin. „Steht Suizidalität im Kontext einer psychischen Erkrankung, kann diese behandelt werden. Eine psychische Erkrankung wie eine Depression kann leicht übersehen werden, deshalb ist bei Suizidalität stets die Beurteilung durch einen erfahrenen Psychiater nötig.“ Es kann erforderlich sein, gemeinsam mit dem Betroffenen Hilfseinrichtungen und Hilfsangebote aufzusuchen. Auch für sich selbst sollte man rechtzeitig Hilfe holen, um nicht in Überforderung zu geraten.

Suizidale Krisen treten oft vorübergehend auf

Menschen mit Suizidgedanken und -absichten wollen in den allermeisten Fällen nicht sterben. Sie suchen einen Ausweg aus einem psychisch und/oder physisch quälenden Zustand. „Der Großteil aller Suizide erfolgt im Rahmen psychischer Erkrankung oder akuter Krisenreaktionen. Das bedeutet, der Entschluss ist weder durch einen freien, uneingeschränkten Willen des Menschen getroffen worden, noch als dauerhafter Entschluss“, betont Lewitzka. Dass Suizidprävention gut funktionieren kann, zeigt auch der kontinuierliche Rückgang der Suizidzahlen in den letzten Jahren. Als Ursachen für diese Entwicklung gelten unter anderem der Fortschritt in der Behandlung von Risikogruppen, insbesondere Menschen mit psychischen Erkrankungen, die ein besonders erhöhtes Suizidrisiko haben. Zudem wurde das Angebot an Anlaufstellen für Menschen in suizidalen Krisen ausgebaut – darunter auch Online-Beratungsangebote per E-Mail oder Chat.

Hintergrund:
Der 124. Deutsche Ärztetag hat in Konsequenz aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Februar 2020 zum assistierten Suizid die berufsrechtlichen Regelungen für Ärztinnen und Ärzte zur Suizidhilfe geändert. Die Streichung ändert nach Überzeugung des Ärztetages aber nichts daran, dass „ärztliches Handeln von einer lebens- und gesundheitsorientierten Zielrichtung geprägt ist“. Das Ärzteparlament forderte ferner den Gesetzgeber auf, die Suizidprävention in Deutschland in den Fokus zu nehmen, zu unterstützen, auszubauen und zu verstetigen.
(Aus der Pressemitteilung des 124. Deutschen Ärztetag vom 05.05.2021
Striktes Verbot der Suizidhilfe aus (Muster-)Berufsordnung gestrichen / Ärzteparlament sieht Hilfe zur Selbsttötung weiterhin nicht als ärztliche Aufgabe

<link www.bundesaerztekammer.de/presse/pressemitteilungen/news-detail/striktes-verbot-der-suizidhilfe-aus-muster-berufsordnung-gestrichen-aerzteparlament-sieht-hilfe-z/&gt;https://www.bundesaerztekammer.de/presse/pressemitteilungen/news-detail/striktes-verbot-der-suizidhilfe-aus-muster-berufsordnung-gestrichen-aerzteparlament-sieht-hilfe-z/</link>)



Weitere Informationen:

Die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention (DGS) hat eine Übersicht zu bundesweiten Beratungsangeboten bei suizidalen Krisen zusammengestellt: <link www.suizidprophylaxe.de/hilfsangebote/hilfsangebote&gt;https://www.suizidprophylaxe.de/hilfsangebote/hilfsangebote</link>

Netzwerk für Suizidprävention in Dresden - Erste Hilfe und Hinweise für Mitmenschen von Suizidgefährdeten

<link www.suizidpraevention-dresden.de/&gt;https://www.suizidpraevention-dresden.de/</link>

Quellen:

<link www.suizidprophylaxe.de - external-link-new-window "Opens external link in new window">Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention (DGS)</link>



<link www.dgppn.de/die-dgppn/referate/suizidologie.html - external-link-new-window "Opens external link in new window">DGPPN-Referat „Suizidologie“</link>