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Neurologische Ursache für die prämenstruelle dysphorische Störung (PMDS) entdeckt

©anetlanda_Fotolia.com

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Bei den von PMDS betroffenen Frauen ist die Transporterdichte für den Botenstoff (Transmitter) Serotonin im Gehirn vor der Regelblutung stark erhöht. Dies würde einen vorübergehenden Serotoninmangel bei der Signalübertragung an den Synapsen im Gehirn begünstigen, der die affektiven Symptome der PMDS erklären könnte.

Rund acht Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter leiden unter einer prämenstruellen dysphorischen Störung (PMDS). Dabei handelt es sich um eine besonders schwere Form des Prämenstruellen Syndroms (PMS), die der Gruppe der depressiven Störungen zugeordnet wird. Kennzeichnend für das PMDS sind sowohl psychisch-emotionale Symptome wie Reizbarkeit, Aggressivität, depressive Verstimmung und Konzentrationsstörungen als auch körperliche Symptome wie Brustschmerzen und Schlafstörungen. Typischerweise treten diese Beschwerden in der zweiten Zyklushälfte (Eisprung bis zur Monatsblutung) auf und klingen nach Einsetzen der Periode wieder ab. Einige betroffene Frauen können in dieser Phase ihres Zyklus ihren Alltagspflichten und ihrem Beruf nur noch schlecht oder nicht mehr nachgehen. Jetzt haben Forschende des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften und des Universitätsklinikums Leipzig herausgefunden, dass bei den von PMDS betroffenen Frauen die Transporterdichte für den Botenstoff (Transmitter) Serotonin im Gehirn vor der Regelblutung stark erhöht ist (siehe Biological Psychiatry, online seit 18.1.2023). Dies würde einen vorübergehenden Serotoninmangel bei der Signalübertragung an den Synapsen im Gehirn begünstigen, der die affektiven Symptome der PMDS erklären könnte. „Das ist ein weiterer Hinweis darauf, dass es sich bei PMDS um eine organische Erkrankung handelt und nicht um eine psychosomatische Störung“, betont Prof. Dr. med. Gereon Nelles vom Berufsverband Deutscher Nervenärzte (BVDN), Facharzt für Neurologie und spezielle Schmerztherapie sowie Psychotherapeut in Köln-Hohenlind. Bei PMDS wurde bereits vor einigen Jahren eine genetisch bedingte Überempfindlichkeit auf die Sexualhormone Östrogen und Progesteron festgestellt, deren Konzentrationen üblicherweise in der zweiten Zyklushälfte ansteigen. 

Dauer der Einnahme von Medikamenten reduziert sich
Angesichts des kurzen Zeitraums, in dem die Transmitterspiegel bei den von PMDS betroffenen Frauen absinken und Leidensdruck verursachen, eröffnet sich den Forschenden zufolge die Möglichkeit einer künftig gezielteren Behandlung: Zur Linderung der Symptomatik sei die Einnahme von Antidepressiva, die einen Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) enthalten, nicht mehr fortlaufend erforderlich, sondern nur noch an wenigen Tagen im Zyklus, um möglichen depressiven Symptomen in der zweiten Zyklushälfte vorzubeugen. Das könne auch das potenzielle Auftreten unerwünschter Nebenwirkungen der Medikamente – wie z.B. Durchfall, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit oder Übelkeit – reduzieren, so zumindest die Hoffnung der Forscher. Eine solche „Intervalltherapie“ ist allerdings in Bezug auf die Wirksamkeit in klinischen Studien noch nicht systematisch untersucht worden. „SSRI zur antidepressiven Behandlung brauchen aufgrund ihrer Pharmakodynamik üblicherweise einen Zeitraum von 1-2 Wochen, um ihre volle Wirkung zu entfalten. Ob eine kurzfristige SSRI-Behandlung für das PMDS wirklich eine Option ist, ist deswegen im Moment noch unklar. Es gibt inzwischen auch kurzfristig wirksame SSRI, z. B. Dapoxetin zur Behandlung von sexuellen Funktionsstörungen, allerdings auch hierfür noch keinen Wirksamkeitsbeleg für einen antidepressiven Effekt“, erläutert Prof. Dr. med. Gereon Nelles.

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