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Die psychische Gesundheit schützen: Resilienz kann in jedem Lebensalter erlernt werden

Manche Menschen haben eine Art psychische Widerstandskraft gegenüber schwerwiegenden Lebensereignissen und chronischem Stress - die so genannte Resilienz - entwickelt. Sie lässt sich aber auch trainieren: von jedem Menschen, zu jedem Zeitpunkt in seinem Leben.

Die meisten Menschen sind zu irgendeinem Zeitpunkt in ihrem Leben mit schwierigen oder sehr belastenden Situationen konfrontiert. Ein Teil von ihnen leidet so stark unter dem Geschehen, dass sie aus dem Gleichgewicht geraten und dauerhaft beeinträchtigt sind. Andere sind hingegen in der Lage, Schicksalsschläge, Dauerdruck oder traumatische Erlebnisse wegzustecken und sich nicht aus der Bahn werfen zu lassen. Sie haben eine Art psychische Widerstandskraft gegenüber schwerwiegenden Lebensereignissen und chronischem Stress - die so genannte Resilienz - entwickelt. Sie lässt sich aber auch trainieren: von jedem Menschen, zu jedem Zeitpunkt in seinem Leben. „Resiliente Menschen fühlen sich in Krisensituationen weniger hilflos und reagieren mit einem größeren Selbstwirksamkeitsempfinden. Dies bedeutet, dass sie eine gewisse persönliche Überzeugung haben, in einer bestimmten Situation eine angemessene Leistung erbringen zu können. Es ist ein großer Unterschied, ob man sich hilflos oder gar schicksalshaft ausgeliefert fühlt oder spürt, Situationen durch das eigene Handeln und Selbstkontrolle positiv beeinflussen zu können. Die Fähigkeit zur aktiven Bewältigung von Belastungen, Herausforderungen, von Stress oder gar Traumatisierungen gehört deshalb heute wesentlich zur Definition von psychischer Gesundheit mit hinzu. Wer sie besitzt, läuft sehr viel weniger Gefahr, etwa Posttraumatische Belastungsstörungen, Angsterkrankungen, Depressionen oder auch psychotische Störungen zu entwickeln“, berichtet Prof. Joachim Klosterkötter von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), die ihren Sitz in Berlin hat. Resilienz schützt also vor einer ganzen Reihe von schwerwiegenden psychischen Erkrankungen und sollte immer dann, wenn dies angebracht erscheint, gestärkt und gefördert werden.

Emotionen kontrollieren und positives Denken nutzen

Die Wurzeln für die Entwicklung von Resilienz liegen einerseits in der Person eines Menschen und andererseits in seiner Lebensumwelt. Psychologische Eigenschaften wie Optimismus, positives Selbstwertgefühl und selbstzentrierte Kontrollüberzeugungen auf der einen Seite sowie positive, liebevolle und unterstützende Beziehungen zu Eltern, Erwachsenen und Gleichaltrigen in der Kindheit wirken sich günstig aus. Resilienz im Erwachsenenalter entsteht daraus vor allem dann, wenn es schon im Kindesalter zu positiven Erfahrungen bei der Stressbewältigung („Stressinokulation“) kam. Wenn solche förderlichen Bedingungen nicht gegeben waren, benötigt man im späteren Leben oft Unterstützung, um auf die persönlichen Ressourcen besser zugreifen zu können. „Resilienz kann auf ganz individueller Ebene mit psychotherapeutischen Ansätzen trainiert werden. Unter anderem geht es darum, Menschen dazu zu befähigen, sich realistische Zuschreibungen zu machen, den eigenen Handlungsspielraum und die eigenen Kontrollmöglichkeiten besser zu erkennen. Eine Förderung der Problemlösefähigkeiten und von Bewältigungskompetenz kann dazu beitragen, sich von Herausforderungen nicht einschüchtern zu lassen. Wichtig sind darüber hinaus, sich eine gute Kontrolle von Emotionen sowie eine bessere Verarbeitung von Frustrationserlebnissen anzueignen. Auch eine optimistischere innere Haltung anzunehmen kann man bis zu einem gewissen Grad trainieren“, erklärt der Experte. Dabei geht es nicht darum, das Leben durch eine rosarote Brille zu betrachten, sondern vielmehr aus einem anderen Winkel, der mehr Flexibilität und aktiv-problemorientiertes Handeln ermöglicht. Eine Krise sollte weniger als Schwergewicht betrachtet werden, sondern vielmehr als ein zeitlich begrenztes Ereignis, aus dem man sich selbst - gegebenenfalls auch mit Unterstützung durch andere - herausführen kann.

Rechtzeitig Hilfe annehmen

Wer selbst innerhalb eines tragfähigen sozialen Netzes nicht mehr in der Lage ist, Probleme zu bewältigen und dabei den Alltag aufrechtzuerhalten, sollte professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Dies ist insbesondere dann erforderlich, wenn der Belastungsdruck schon über einen längeren Zeitraum besteht und psychische sowie körperliche Stresssymptome hervorzurufen beginnt. „Die Frage, ob und wann letztendlich eine unterstützende therapeutische Maßnahme angezeigt ist, sollte der angesprochene Hausarzt dann immer mit einem erfahrenen Psychiater und Psychotherapeuten abklären. Dabei geht es nicht nur um die akute Krisenbewältigung“, betont Prof. Klosterkötter, „sondern vor allem auch um den Aufbau und die Stärkung von Resilienz zur aktiven und dauerhaften Krankheitsabwehr“. Können die psycho- und soziotherapeutischen Maßnahmen von den Betroffenen erfolgreich umgesetzt werden, vermögen sie die Lebenssituation für diese Menschen nachhaltig zu verbessern.

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