Die Demenz ist ein krankheitsbedingter, erworbener Verlust von Leistungen der höheren Gehirnfunktionen. Es können kognitive Fähigkeiten - wie z.B. Erkennen, Gedächtnis, Orientierung, Sprache, Lernen und Planen - sowie auch die emotionalen und sozialen Fähigkeiten beeinträchtigt sein. Bei manchen Betroffenen kehrt sich – meist im fortgeschrittenem Krankheitsstadium - der Tag-Nacht-Rhythmus um, was für die Personen selbst aber auch für deren Angehörige oder Pflegekräfte sehr problematisch sein kann. „So wie bei einer Demenzerkrankung manchmal die räumliche Orientierung verloren geht, kann sich auch das Zeitgefühl verändern. Betroffene verlieren den Rhythmus von Tag und Nacht, aber auch das Gefühl für Zeitabstände wie Minuten oder Stunden“, berichtet Prof. Gereon Nelles vom Berufsverband Deutscher Nervenärzte (BVDN) mit Verbandssitz in Krefeld. „In der Folge finden sie sich zeitlich nicht mehr zurecht und fühlen sich oft zunehmend ruhelos und verloren – auch weil Bezugspersonen oder Beschäftigungsmöglichkeiten in der Nacht nicht vorhanden sind. Entsprechend hoch ist oft auch die Unfallgefahr.“ Die Problematik macht sich oft dadurch bemerkbar, dass Betroffene nachts nach Ansprechpartnern rufen, sie nach Essen suchen oder spazieren gehen möchten. Auch ausgeprägte abendliche oder nächtliche Erregungszustände können auftreten. Tagsüber nicken sie hingegen oft ein.
Angst, Medikamente oder Beschäftigungsmangel können Schlaf stören
Eine Störung der circadianen Rhythmik kann viele Ursachen haben. Diese gilt es abzuklären und Betroffene zielgerichtet zu unterstützen. „Zunächst sollten körperliche Ursachen wie ein Restless-Legs-Syndrom, Schlafapnoe sowie auch Schmerzen oder Juckreiz abgeklärt werden. Daneben können verschiedene Arzneimittel wie beispielsweise Betablocker den circardianen Rhythmus stören“, erklärt der Neurologe. „Oftmals sind es aber einfach fehlende Zeitgeber durch die Umwelt, wie eine ausreichende Dosis Tageslicht oder soziale Kontakte am Tage, weswegen Betroffene aus der Balance geraten.“ Auch körperliche Inaktivität und langweilige oder monotone Tagesabläufe beeinträchtigen einen regulären Nachtschlaf. Nicht selten leiden demente Patienten unter Stress und Ängsten, die ebenfalls das Schlafvermögen beeinträchtigen.
Aktivierende feste Tagesabläufe helfen bei zeitlicher Orientierung
Sind organische Ursachen oder Medikamentennebenwirkungen ausgeschlossen, können verschiedene einfache Verhaltensweisen dazu beitragen, den Tag-Nacht-Rhythmus wieder zu stabilisieren. Grundsätzlich ist es hilfreich, den Tag mit all seinen Aspekten möglichst deutlich von der Nacht abzugrenzen und tagsüber ausreichend Aktivierungsangebote zu schaffen. Für die dementen Menschen muss es sich «lohnen», tagsüber wach zu bleiben. „Ein klarer Tagesrhythmus mit festen Essenszeiten und anregenden Sozialkontakten ist hilfreich. Wichtig ist zudem, den Tageschlaf zu begrenzen und insbesondere am Nachmittag möglichst nur Ruhezeiten ohne Schlaf anzubieten“, rät Prof. Nelles. „Möglichst viel helles Tageslicht kann auf die circardiane Rhythmik stabilisierend wirken. Nicht zuletzt ist eine möglichst gute Schlafhygiene mit angemessener Raumtemperatur und Beleuchtung vorteilhaft. Wenn Demenzkranke nachts unruhig sind, hilft oft ein kurzes beruhigendes Gespräch.“ Greifen solche herkömmlichen Maßnahmen nicht, kann eine Therapie mit künstlichen Lichtbädern oder auch dem Medikament Melatonin versucht werden. Hierbei handelt es sich um ein Hormon, das den Tag-Nacht-Rhythmus des Menschen steuert und auch als Schlafmittel eingesetzt werden kann. Nur in sehr schweren Fällen mit ausgeprägter Unruhe und Agitiertheit sollten Neuroleptika eingesetzt werden.
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