Außergewöhnliche Belastungen während der Pandemie – wie z. B. gesundheitliche Sorgen, Homeschooling zusätzlich zu Arbeit und Haushalt, Organisations- und Kommunikationsprobleme im Homeoffice, Geldsorgen aufgrund von Kurzarbeit oder Arbeitsplatzverlust, sowie Medienkonsum bis spät in den Abend – scheinen nicht nur den Tagesrhythmus vieler Menschen verändert zu haben, sondern auch deren Schlafqualität und Schlafgewohnheiten. Bei wiederkehrenden Ein- und Durchschlafstörungen sollte man allerdings nicht versuchen, den versäumten Schlaf am Wochenende oder tagsüber nachzuholen. Denn eine Ausdehnung der Bettzeit ist grundsätzlich nicht empfehlenswert, betonen Experten des Referats Schlafmedizin der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN).
Ausreichend Schlafdruck aufbauen – nicht von Schlafmangel unter Druck setzen lassen
„Vielmehr ist es wichtig, ausreichend Bedürfnis nach Schlaf (Schlafdruck) über die Wachdauer (also die Dauer des Wachseins) aufzubauen, indem man die Bettzeit kontrolliert bzw. kurzhält – das ist meines Erachtens die wirksamste Maßnahme für einen gesunden Schlaf“, erklärt Prof. Dr. med. Christoph Nissen, Leiter des Referats „Schlafmedizin“ der DGPPN. „Wenn man nach einer nächtlichen Schlafdauer von circa fünfeinhalb oder sechs Stunden wach wird, sollte man - anstatt immer wieder auf den Wecker zu schauen, sich herumzuwälzen, zu grübeln und die Gedanken sinnlos kreisen zu lassen - lieber einfach aufstehen und akzeptieren, dass gelegentliches Wachliegen oder Schwankungen in der Schlafdauer ganz normal sind. Denn die beste Intervention für Ein- und Durchschlafstörungen ist, die Bettzeit auf die erlebte Schlafdauer zu reduzieren. So wird Schlafdruck aufgebaut, der wieder zu erholsamen Schlaf führen kann. Und gleichzeitig wird (durch positive Konditionierung) das Bett nicht mit Frust und Ärger über schlechten Schlaf verknüpft, sondern mit einem Platz für Ruhe und Erholung.“ Auch zusätzliche Schlafeinlagen tagsüber wie das beliebte Mittagsschläfchen oder auch das abendliche Einschlafen auf dem Sofa sind bei Schlafproblemen zu vermeiden, um genügend Schlafdruck für die Nacht aufzubauen. Außerdem ist darauf zu achten, sich tagsüber genügend zu bewegen bzw. ausreichend körperlich aktiv zu sein und sich hinreichendem Tageslicht auszusetzen. Den Konsum von Kaffee, Cola und ähnlichen Wachmachern sollte man ab Nachmittag einschränken und Alkohol nur in Maßen trinken.
Schlafdauer der inneren Uhr anpassen und regelmäßigen Schlafrhythmus etablieren
„Wichtig ist auch, das individuelle Schlaffenster so gut wie möglich an den eigenen Chronotyp – also die innere Uhr - anzupassen und dann einen regelmäßigen Schlafrhythmus beizubehalten“, erläutert Prof. Dr. Thomas-Christian Wetter, Stv. Leiter des Referats „Schlafmedizin“ der DGPPN. „Das heißt möglichst regelmäßig – sowohl unter der Woche als auch am Wochenende – entweder immer früh aufzustehen und auch früh zu Bett gehen (Stichwort „Lerchen“) oder später aufzuwachen und dann auch später abends einzuschlafen („Eulen“). Betroffene sollten für sich selbst herausfinden, zu welchen tageszeitlichen Präferenzen sie tendieren und was ihnen guttut, auf diese Weise ihren natürlichen Schlafrhythmus finden und diesen dann durch das Einhalten regelmäßiger Einschlaf- und Weckzeiten unterstützen.“
Die eigene Kontrolle über den Schlaf behalten
Bei gelegentlichen Ein- und Durchschlafstörungen solte man nicht zu Medikamenten wie Schlaf- oder Beruhigungsmittel greifen, da diese für keinen erholsamen Schlaf sorgen, unerwünschte Nebenwirkungen haben und ein Abhängigkeitspotential bergen. „Demgegenüber sind die genannten einfachen Verhaltensänderungen, die auf verhaltenstherapeutischen Therapieansätzen der medizinischen Leitlinien (AWMF-S3-Leitlinie Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen/Insomnie bei Erwachsenen, 2016) beruhen, effektiv und haben zusätzlich den kognitiv-emotionalen Effekt, dass man die eigene Kontrolle über seinen Schlaf wieder gewinnt bzw. behält“, ergänzt Prof. Nissen.
Regeln der Schlafhygiene individuell handhaben
Als Abhilfe gegen Ein- und Durchschlafstörungen wird oft auf starre Regeln einer guten Schlafhygiene verwiesen, wie z. B. das Bett ausschließlich zum Schlafen aufzusuchen. „Strenge Verhaltensvorgaben, wie eine optimale Schlafdauer oder ein optimales Schlafklima zu erzielen sind, sollte man nicht überbewerten“, meint Prof. Nissen. Für einen guten Schlaf ist es oft ausreichend, ganz pragmatisch die genannten Empfehlungen - Schlafdruck aufbauen, Bettzeit kontrollieren und einen regelmäßigen Schlafrhythmus beibehalten - zu beherzigen und individuelle Neigungen zu akzeptieren.
Chronische Schlafstörungen immer ärztlich abklären lassen
Chronische Ein- und Durchschlafschlafstörungen, die mehr als dreimal pro Woche über einen Zeitraum von drei Monaten andauern und Leidensdruck verursachen, sollten immer sorgfältig abgeklärt werden. „Schlafstörungen können auf psychische Erkrankungen wie eine Depression oder eine posttraumatische Belastungsstörung hinweisen, oder auch - wie das Restless-Legs-Syndrom oder die Schlafapnoe - organische Ursachen haben, die fachärztlich abgeklärt werden sollten“, betont Prof. Wetter.
Hinweis: Am 21. Juni 2021, dem längsten Tag mit der kürzesten Nacht des Jahres, wird in Deutschland der "Tag des Schlafes" begangen. Dabei geht es darum, auf die gesundheitliche Bedeutung von Schlaf aufmerksam zu machen und dafür zu sensibilisieren, dass Schlaf nicht - wie zuweilen angenommen - vergeudete Zeit ist, sondern vielmehr ein notwendiger und auch physiologisch produktiver Anteil der Lebenszeit.
Autor: äin-red
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Mehr Informationen zu anhaltenden Schlafstörungen: https://www.generation-psy.de/kampagnen/hypersomnia/