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Forscher entdecken Schaltersystem das Nervenzellen verbindet

Berliner Neurowissenschaftler haben jetzt ein molekulares Schaltersystem entdeckt, das diese Vernetzung der Nervenzellen reguliert. Die Studie bildet möglicherweise eine wichtige Grundlage zur Erforschung verschiedener Krankheiten wie geistiger Behinderung, Schizophrenie oder Depression. 

Sprache und Sinneswahrnehmung, Gedankenbildung, Entscheidungsprozesse und Bewegung sind komplexe Aufgaben, die das Gehirn nur bewältigt, wenn die einzelnen Nervenzellen, die Neuronen, gut vernetzt sind. Berliner Neurowissenschaftler haben jetzt ein molekulares Schaltersystem entdeckt, das diese Vernetzung der Nervenzellen reguliert. Die Arbeit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin, des Exzellenzclusters NeuroCure und des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) wurde nun im Fachjournal „Genes and Development“ veröffentlicht. Bei diesen Gehirnleistungen spielt eine hoch verzweigte Struktur der Neuronen, der dendritische Baum, eine wichtige Rolle. Wie Antennen empfangen die Ausläufer der Zelle, die Dendriten, die Signale anderer Nervenzellen und leiten sie zum Nervenzellkern weiter. Angeborene neurologische Krankheiten wie geistige Behinderungen werden oft mit Fehlern bei der Entwicklung des dendritischen Baums assoziiert. Das Forscherteam um Marta Rosário hat nun in Zusammenarbeit mit Victor Tarabykin von der Charité und Walter Birchmeier vom MDC entdeckt, wie dieser Verzweigungsprozess während der Entwicklung kontrolliert wird. In lebenden Mäusen konnte es zeigen, dass das Protein NOMA-GAP als Schalter für diesen Prozess dient. Das Schalterprotein wird von reifenden Neuronen produziert und startet dabei eine Kette von Signalen in der Zelle, die zur dendritischen Verzweigung führt. Zentrales Element der Signalkette ist ein Protein, kurz Cdc42 genannt. Es spielt eine wichtige Rolle bei den ersten Entwicklungsstadien von Neuronen, hemmt aber die Verzweigung des dendritischen Baums in späteren Entwicklungsstadien. Wird NOMA-GAP aktiv, schaltet es Cdc42 aus und die reifenden Neuronen können komplex verästelte dendritische Bäume ausbilden. Der richtige Einsatz des Schalterproteins und die Steuerung der Cdc42-regulierten Signalkette sind daher unerlässlich für eine korrekte Verzweigung der Neuronen und somit für die Entwicklung des Neocortex, der Großhirnrinde, die unter anderem Sinneswahrnehmung, Gedächtnis, Sprache und Bewegung steuert.„Fehler in dieser Signalkette führen zu einem unvollständig entwickelten dendritischen Baum. Dann besteht die Gefahr von geistigen Einschränkungen, da Signale im Gehirn nicht mehr ausreichend verarbeitet werden können“, erklärt Marta Rosário. „Die Studie bildet für uns eine wichtige Grundlage zur Erforschung verschiedener Krankheiten wie geistiger Behinderung, Schizophrenie oder Depression, die hoffentlich neue Therapiewege aufzeigen wird.“ NeuroCure ist ein im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder gefördertes Exzellenzcluster an der Charité - Universitätsmedizin Berlin. Im Fokus des interdisziplinären Forschungsverbundes steht die Übertragung (Translation) neurowissenschaftlicher Erkenntnisse der Grundlagenforschung in die klinische Anwendung. Ein besseres Verständnis von Krankheitsmechanismen trägt dazu bei, wirksame Therapien für neurologische Erkrankungen wie Schlaganfall, Multiple Sklerose oder Epilepsie, aber auch für psychiatrische Erkrankungen wie Alzheimer und Autimus zu entwickeln. Originalpublikation: Rosário M, Schuster S, Jüttner R, Parthasarathy S, Tarabykin V, Birchmeier W. Neocortical dendritic complexity is controlled during development by NOMA-GAP-dependent inhibition of Cdc42 and activation of cofilin. Genes Dev. 2012 Jul 18. doi: 10.1101/gad.191593.112Quelle: Informationsdienst Wissenschaft