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Herausgegeben von den Berufsverbänden für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland.

Formen von Schlafstörungen bei Kindern und Jugendlichen

Schlafstörungen werden u.a. nach organischer oder nicht-organischer Ursache unterschieden, nach Störungen bzw. physiologischen Ereignissen, die im Schlaf auftreten, sowie Formen, bei denen Schlafdefizite oder eine erhöhte Schlafneigung  vorhanden sind. Nachfolgend sind einige wichtige Formen von Schlafstörungen beschrieben:

Dyssomnien

Bei dem Überbegriff Dyssomnien (Insomnie, Hypersomnie; Störungen des zirkardianen Schlaf-/Wachrhythmus handelt es sich um Zustandsbilder, die mit einer Störung von Dauer, Qualität oder Zeitpunkt des Schlafes einhergehen und die deutlichen Leidensdruck verursachen oder sich störend auf die soziale und schulisch-berufliche Leistungsfähigkeit auswirken.  Die nicht-organische Insomnie, die Hypersomnie und Störungen des zirkardianen Wachrhythmus gehören zu den Schlafstörungen mit nicht-organischer Ursache.

Insomnie

Bei der Insomnie handelt es sich um Schlafmangelsyndrome, die durch Ein- und Durchschlafstörungen und eine nicht zufriedenstellende Schlafqualität und  -dauer charakterisiert sind, die mindestens 3-mal pro Woche über die Dauer eines Monats auftreten. In der Folge kommt es bei Betroffenen zu verstärkter Tagesmüdigkeit, verminderter Leistungsfähigkeit und Beeinträchtigungen bei Alltagsaktivitäten. Hinzu kommen psychische Symptome, wie Gereiztheit, Stimmungsschwankungen sowie Gedanken und Ängste zum Nicht-Schlafen-Können. Der Häufigkeitsgipfel der Insomnien liegt im Kleinkindalter.

Hypersomnie – erhöhte Schlafneigung

Eine erhöhte Schlafneigung wird als Hypersomnie bezeichnet. Hierbei kommt es zu einer Tagesmüdigkeit mit Einschlafen, die nicht durch Schlafmangel erklärt werden kann. Die Häufigkeit des Auftretens einer Hypersomnie wird im Kindes- und Jugendalter auf 5 Prozent geschätzt - der Häufigkeitsgipfel liegt in der Adoleszenz.

Störungen des zirkardianen Schlaf-/Wachrhythmus

Von Störungen des zirkardianen Schlaf-/Wachrhythmus sind überwiegend Jugendliche betroffen. Hierbei handelt es sich um eine anhaltende, regelmäßige Verschiebung der individuellen Schlaf-/Wachperiodik, die mit einer Beeinträchtigung des Schlafs und der Alltagsaktivität einhergeht.  Es liegt also eine unzureichende Synchronisierung zwischen den individuellen Schlaf-Wachrhythmus und dem der Umgebung vor. Betroffene berichten, dass sie vor 3 oder 5 Uhr morgens nicht einschlafen können und am Morgen große Mühe haben, rechtzeitig aufzustehen. Für die Eltern ergibt sich hierdurch oft das Problem, dass sie ihr Kind jeden Morgen nur mit großer Anstrengung aus dem Bett bekommen. Diese Störungen können im Jugendalter auch durch adoleszente Verhaltensweisen (bewusstes Aufbleiben), durch Schichtarbeit oder auch lange Flugreisen ausgelöst werden.

Parasomnien - im Schlaf auftretende Störungen

Bei Parasomnien handelt es sich um Aktivierungen des motorischen und/oder autonomen Nervensystems, die während des Schlafs oder des Schlaf-Wach-Übergangs auftreten. Diese Ereignisse können mit oder ohne Einschränkung des Bewusstseins ablaufen. Selten liegen hierfür organische Ursachen (z.B. Schlafapnoe) zugrunde. Der Häufigkeitsgipfel von Parasomnien liegt in der Kindheit, nach der Pubertät treten sie nur noch selten auf - dann meist in Verbindung mit psychopathologischen Auffälligkeiten. Die wichtigsten Parasomnien im Kindes- und Jugendalter sind:

Schlafwandeln (Somnambulismus)

Das Schlafwandeln tritt meistens in der ersten Nachthälfte aus dem Tiefschlaf heraus auf – es kann durch Lichtreize oder Geräusche ausgelöst werden. Das Schlafwandeln kann von einfachem Aufsetzen im Bett bis hin zum nächtlichen Umhergehen führen. Obwohl sich die Kinder scheinbar sicher und mit offenen Augen bewegen, sind sie dennoch orientierungslos, schwer erweckbar und daher erhöht verletzungsgefährdet.
Das kindliche Schlafwandeln beginnt meist zwischen dem vierten und achten Lebensjahr und verliert sich meist in der Pubertät.

Nächtliches Hochschrecken (Pavor nocturnus)

Der Pavor nocturnus oder auch Nachtschreck lässt die Kinder mit einer ausgeprägten Angstreaktion und oft einem Schrei aus dem nächtlichen Tiefschlaf aufschrecken. Sie sind dann meist verschwitzt, nicht ansprechbar, desorientiert und haben eine erhöhte Herzschlagfrequenz. Häufig lassen sie sich nicht anfassen und schlagen um sich. Dann versinken sie ebenso plötzlich wieder in Tiefschlaf und können sich am nächsten Morgen an nichts mehr erinnern. Solche nächtlichen Attacken treten wie das Schlafwandeln im ersten Drittel der Nacht auf.

Alpträume

Im Gegensatz zum Pavor nocturnus entstehen Alpträume gewöhnlich im Traumschlaf (REM-Schlaf) und kommen daher vermehrt im letzten Drittel der Nacht vor. Häufig enden die Alpträume durch abrupte Bewegungen, die dann zum Erwachen führen. Für kleine Kinder sind Alpträume besonders bedrohlich, denn sie können Traum und Realität nicht unterscheiden. Auch nach dem Aufwachen fühlen sie sich von ihren Trauminhalten bedroht. Alpträume sind behandlungsbedürftig, wenn Ängste vor erneutem Einschlafen oder dem Zubettgehen bestehen oder die Störung des Schlafes einen erheblichen Leidensdruck verursacht.

Gegenüberstellung: Erscheinungsbild von Somnambulismus, Pavor nocturnus und Alpträumen

 

[Tabelle]

 

Tabelle nach Fröhlich und Lehmkuhl 1998 (Quelle: Fegert, J., Eggers, C.,  Resch, F.: Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters. Springer, Heidelberg, 2. Auflage, 2012)

Weitere schlafbezogene Störungen

Bettnässen (Enuresis nocturna)

Bei jedem dritten Kind im Alter von 4 Jahren tritt noch Bettnässen auf. Aus medizinischer Sicht stellt Bettnässen nur dann eine Störung dar, wenn es nach dem 5. Lebensjahr anhält oder auftritt. Mehr Informationen zu diesem Störungsbild sind im Artikel „Bettnässen & Kontrolle des Darms“ vorhanden.

Schlafbezogene rhythmische Bewegungsstörungen

Manchmal fallen Säuglinge und Kleinkinder beim Eintreten des Schlafes in rhythmische Bewegungen. Sie werfen beispielsweise ihren Kopf von einer auf die andere Seite oder wiegen den ganzen Körper hin oder her. Eltern reagieren oft sehr besorgt – insbesondere wenn der Kopf oder der Körper des Kindes gegen die seitlichen Begrenzungen des oder gegen die Wand schlagen. Sorgen sind jedoch in der Regel unbegründet, denn die Betroffenen, verletzen sich fast nie. Diese Störung entwickelt sich meist innerhalb des 1. Lebensjahres und nimmt ab dem 4. Lebensjahr wieder ab. Nur wenn das Kopfschlagen erstmals im 2. Lebensjahr auftritt oder von Entwicklungsverzögerungen begleitet wird, ist der Gang zum Arzt erforderlich.

Schlafbezogene Störungen mit organischer Ursache

Auch körperliche Störungen oder Erkrankungen können eine Ursache für Schlafstörungen bei Kindern und Jugendlichen sein. Schmerzzustände unterschiedlichster Ursache können den Schlaf von Kindern und Jugendlichen beeinträchtigen. Möglich sind beispielweise  Hals-, Ohren-, Kopf- oder Bauchschmerzen. Diese Schlafstörungen verschwinden sobald das Kind wieder gesund ist und halten länger an, wenn es sich um eine chronische Krankheit handelt (z.B. Neurodermitis, chronische Mittelohrentzündung und Atemwegserkrankungen, Koliken, Epilepsien etc.). Zwei wichtige Erkrankungsbilder für das Kindes- und Jugendalter, die Schlafstörungen verursachen, sind die Schlafapnoe und das Restless-Legs-Syndrom.

Schlafapnoe

Atemstörungen - wie die obstruktive Schlafapnoe - können eine mögliche Ursache für Schlafstörungen bei Kindern und Jugendlichen sein. Da Betroffenen die Erholung des Tiefschlafs fehlt, kann dies eine erhebliche Tagesmüdigkeit nach sich ziehen. Als psychische Folgen sind emotionale Unausgeglichenheit, Konzentrationsstörungen und motorische Unruhe möglich.

Etwa 2 Prozent der Kinder leiden unter einer obstruktiver Schlafapnoe. In einem Schlaflabor kann der Verdacht auf eine Schlafapnoe abgeklärt werden.

Restless-Legs-Syndrom

Das Restless-Legs-Syndrom tritt im Kindes- und Jugendalter selten auf. Symptome sind ein Gefühl der Unruhe oder des Kribbelns in den Beinen, die vor allem abends auftreten und beim Einschlafen am stärksten ausgeprägt sind. Dadurch kann das Einschlafen beeinträchtigt sein sowie auch die Leistungsfähigkeit am Tage.

Fachliche Unterstützung: Univ.-Prof. Dr. med. Gerd Lehmkuhl, Köln (DGKJP)