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Herausgegeben von den Berufsverbänden für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland.

Was ist Bulimie bzw. Ess-Brechsucht?

Die Ess-Brech-Sucht (Bulimia nervosa) ist eine Essstörung mit wiederholten anfallartigen Heißhungerattacken, bei denen in kurzer Zeit große Mengen meist besonders fett- und zuckerreicher Lebensmitteln zugeführt werden. Anschließend versuchen die Patienten sich der aufgenommenen Nahrung durch spezielle, der Gewichtszunahme entgegensteuernde Maßnahmen wieder zu entledigen – am häufigsten durch selbst ausgelöstes Erbrechen. Auch Fasten, exzessive körperliche Betätigung und der Missbrauch von Abführmitteln, Diuretika (Arzneimittel zur Ausschwemmung von Wasser) und anderen Medikamenten (z.B. Schilddrüsenhormonen) können als Gegenmaßnahmen zur Gewichtszunahme ergriffen werden. In der Regel versuchen Betroffene ihre Essattacken und das anschließende, provozierte Erbrechen zu verheimlichen.

Eine gestörte Wahrnehmung und eine überwertige Beschäftigung mit der eigenen Figur und des Gewichts ist - wie bei der Magersucht (Anorexia nervosa) - auch bei Bulimie ein wesentliches Merkmal. Betroffene empfinden sich häufig als zu dick, obwohl sie in der Regel normalgewichtig sind. Fast immer geht einer Bulimie eine Diät voraus.

Die Bulimia nervosa ist eine ernsthafte psychische Störung und wird in vielen Fällen von zum Teil schwerwiegenden anderen psychischen Störungen - wie z. B. Angststörungen, affektiven Störungen, Persönlichkeitsstörungen, Belastungsstörungen, Sucht oder ADHS - begleitet. Sie entwickelt sich oft als Folgeerkrankung einer Magersucht (Anorexia nervosa).

Essstörungen treten vornehmlich bei jüngeren Frauen auf, wobei die Häufigkeit der Bulimie bei weiblichen Jugendlichen und jungen Frauen im Alter von 15-25 Jahren auf zwei Prozent geschätzt wird – also doppelt so häufig wie das Auftreten von Magersucht in derselben Altersgruppe. Die Bulimia nervosa tritt meist in der fortgeschrittenen Adoleszenz und im jungen Erwachsenenalter erstmals auf (mit einem Häufigkeitsgipfel zwischen 16-19 Jahren), während die Anorexia nervosa am häufigsten in der frühen bis späten Adoleszenz (mit einem Häufigkeitsgipfel bei 14 Jahren) zu beobachten ist. Die Ermittlung der tatsächlichen Häufigkeiten von Bulimie-Patienten wird durch eine vermutlich hohe Dunkelziffer erschwert, die auf die häufige Verheimlichung der Erkrankung und das oft unauffällige Normalgewicht der Betroffenen zurückzuführen ist.

Bulimische Ess-Störungen im Kindesalter (< 14 Jahren) sind sehr selten. Wenn sie dennoch bei 12- bis 13 Jährigen auftreten, sind sie vom Krankheitsbild her mit der adoleszenten Form vergleichbar. Fälle, die bereits vor der ersten Monatsblutung (Menarche) eintreten, wurden nur ganz vereinzelt beschrieben (betrifft etwa 1 Prozent aller an Bulimie Erkrankten).

Das Verhältnis von Mädchen und Jungen, die eine Essstörung haben, liegt bei 12:1. Unter den Jugendlichen in westlichen Ländern sind etwa 1-2 Prozent der Mädchen von Bulimie betroffen, gegenüber nur 0,2 bis 0,3 Prozent der Jungen. Essstörungssyndrome, die nicht alle Kriterien für eine eindeutige Zuordnung erfüllen - so genannte partielle Essstörungen - sind allerdings häufiger und bei 10-15 Prozent der weiblichen Jugendlichen zu beobachten. Besonders große Häufigkeiten findet man in bestimmten Risikogruppen wie Hochleistungssportlern und Models. Die Prävalenzrate der Anorexie und Bulimie scheint sich in den letzten 15 Jahren nicht wesentlich verändert zu haben. Lediglich bei der kindlichen Anorexia nervosa ist ein Anstieg zu verzeichnen. Da das Krankheitsbild der Bulimia nervosa erst 1980 erstmals klassifiziert worden ist, blickt man hier auf einen deutlich kürzeren Zeitraum als bei der Anorexia nervosa.

Fachliche Unterstützung: Dr. Freia Hahn, Viersen (BKJPP)