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Herausgegeben von den Berufsverbänden für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland.

Stehlen: Kinder sollten Schaden wieder gut machen

Bemerken Eltern, dass ihr Kind etwas gestohlen hat, sollten sie nicht in Panik verfallen und das Kind beschimpfen oder bestrafen. Besser ist es, dem Kind dabei zu helfen, die Bedeutung seines Handelns zu verstehen und es zur Wiedergutmachung zu ermutigen.

„Es ist gut, gemeinsam mit dem Kind das Geschehen aus der Opferperspektive zu betrachten, so dass der Nachwuchs erkennen kann, was er mit seinem Verhalten einem anderen Menschen angetan hat. Ebenso sollte besprochen werden, wie das Kind den Schaden wieder gut machen kann. Es ist wichtig, dass junge Menschen lernen, die Konsequenzen ihres Handelns selber zu tragen und auch, dass sie die Dinge selber wieder in Ordnung bringen können“, berichtet Dr. Ingo Spitczok von Brisinski vom Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland e. V. (BKJPP) mit Sitz in Mainz. „Hierfür kann es sinnvoll sein, dass Eltern mit dem Kind einen Zeitpunkt vereinbaren, bis wann es die Wiedergutmachung erledigt haben sollte. Das gibt ihnen die Möglichkeit, zu kontrollieren, ob es der Angelegenheit nachgekommen ist.“ Schuldgefühle sollten Eltern keine machen, denn in den allermeisten Fällen fühlt sich das Kind bereits schuldig, wenn es erwischt wurde. Allerdings sollten Eltern das Verhalten auch keinesfalls verharmlosen – etwa weil sie selber von dem Vorfall beschämt sind. Worte wie „das Kind hat gemopst“, „stibitzt“ oder „etwas mitgehen lassen“ statt „es hat gestohlen“ sind unvorteilhaft, wenn es darum geht, dem Kind die Ernsthaftigkeit seines Verhaltens klar zu machen. Ebenso sollten Eltern das Kind aufklären, welche Auswirkungen seine Tat auf eine vielleicht bestehende Beziehung mit dem Bestohlenen hat – nämlich in der Regel Enttäuschung und einen Vertrauensverlust.

Stielt ein Kind ein- bis zweimal, brauchen Eltern keine Angst haben, dass es später kriminell wird. Erst wenn mehrere Symptome wie beispielsweise Aggressivität, Trotzverhalten und Lügen nebeneinander auftreten, sollte den Ursachen nachgegangen werden und gegebenenfalls ein Kinder- und Jugendpsychiater zu Rate gezogen werden. Die allermeisten Kinder stehlen irgendwann – am häufigsten um den Schuleintritt herum oder während der Pubertät. Die Gründe für Stehlen können dabei sehr unterschiedlich sein. „Denkbar ist, dass das Kind nicht gelernt hat, zwischen „Mein“ und „Dein“ zu unterscheiden, seinem Verlangen nicht widerstehen kann, noch nicht richtig mit Geld umgehen kann oder die Tat aus Gruppenzwang heraus begeht. Manchmal stehlen Kinder auch derart offensichtlich, dass man dieses Verhalten als Aufforderung auffassen kann, dass das Kind mehr Aufmerksamkeit sucht. Auch kann ein Diebstahl als Racheakt begangen werden, um eine bestimmte Person zu verletzen. Zuweilen stehlen Kinder kleinere Gegenstände von geliebten Menschen, um diese bei sich zu führen und so ein Teil der Person bei sich zu haben“, so der Kinder- und Jugendpsychiater und Psychotherapeut. Nicht selten klauen Kinder aber auch, weil sie das Gefühl haben, materiell zu kurz zu kommen oder benachteiligt zu sein. Eltern sollten dann mit dem Kind besprechen, wie es sich seine Wünsche erfüllen kann, ohne dabei die Grenzen von anderen Menschen zu überschreiten. Denkbar ist, dass sie ihm bezahlte kleinere Arbeiten anbieten, es zum Sparen anregen oder auch das Taschengeld erhöhen.

Pathologisches Stehlen ist sehr selten

Krankhaftes Stehlen, die so genannte Kleptomanie, ist im Vergleich zum gewöhnlichen Ladendiebstahl extrem selten. „Menschen, die unter Kleptomanie leiden, scheitern darin, einem Impuls zu widerstehen. In der Regel eignen sie sich Dinge an, die weder dem persönlichen Gebrauch noch der Bereicherung dienen. Sie schätzen die steigende Spannung vor der Handlung und suchen das Gefühl von Freude, Erleichterung und Befriedigung während und nach der Tat“, erklärt Dr. Spitczok von Brisinski. Beim pathologischen Stehlen handelt es sich jedoch nicht zwangsläufig um Kleptomanie. Es tritt auch als Symptom anderer psychiatrischer Erkrankungen auf, wie Störungen des Sozialverhaltens, Abhängigkeitserkrankungen, affektiven Störungen und Zwangsstörungen sowie bei psychosozialen Konflikten. Betroffene können diese Störungen normalerweise nicht alleine bewältigen und benötigen professionelle Hilfe durch einen Kinder- und Jugendpsychiater.

Mehr Informationen zur psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen bei www.kinderpsychiater-im-netz.org

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