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Depressionen: Symptome bei Kindern sind anders als bei Erwachsenen

Kinder und Jugendliche jeden Alters können Depressionen entwickeln. Während die Erkrankung bei Säuglingen und Kleinkindern wahrscheinlich selten auftritt und nicht leicht zu erkennen ist, leiden Kinder im Vor- und Grundschulalter schon öfter an dieser psychischen Erkrankung.

Kinder und Jugendliche jeden Alters können Depressionen entwickeln. Während die Erkrankung bei Säuglingen und Kleinkindern wahrscheinlich selten auftritt und nicht leicht zu erkennen ist, leiden Kinder im Vor- und Grundschulalter schon öfter an dieser psychischen Erkrankung. Bei Kindern äußern sich Depressionen jedoch meist anders als im Jugend- und Erwachsenenalter. „Je jünger die betroffenen Kinder sind, desto mehr können sich die Symptome von denen bei Erwachsenen unterscheiden. Bei Kleinkindern stehen häufig körperliche Symptome wie Appetitlosigkeit und Schlafstörungen sowie auch Inaktivität bis zu apathischem Verhalten im Vordergrund.“, berichtet Prof. Dr. med. Alain Di Gallo von der Schweizerischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (SGKJPP) mit Sitz in Bern. „Bei Vorschulkindern können Bauchschmerzen und Schlafstörungen sowie Reizbarkeit und eine labile Stimmungslage Anzeichen einer depressiven Erkrankung sein. Der Verlust der Spielfreude ist immer ein Warnzeichen. Oft nimmt auch ihr Interesse am Alltag ab und sie werden kontaktärmer. Im Schulalter leiden Betroffene unter Traurigkeit und Befürchtungen, von den Eltern nicht genügend beachtet zu werden. Auch kann die Schulleistung abnehmen und erste Selbstmordgedanken können auftreten“. In diesen Altersklassen fällt es den Kindern meist schwer, sich mit Worten über ihre Befindlichkeiten zu äußern. Die diagnostische Abklärung muss deshalb immer durch die Beobachtung des Kindes, z.B. im Kontakt mit seinen Bezugspersonen und beim Spielen, unterstützt werden. Wenn entsprechende Symptomen über mehrere Wochen anhalten, sollte ein Kinder- und Jugendpsychiater oder-psychologe aufgesucht werden.

Ab der Pubertät steigt die Häufigkeit von Depressionen an. Bei Jugendlichen kommt es, ähnlich wie bei Erwachsenen, häufig zu Leistungsproblemen, sozialem Rückzug, Antriebsverlust, Zukunftsängsten und Selbstwertproblemen. Auch Drogenkonsum kann auftreten. Typische Symptome sind zudem Ein- und Durchschlafstörungen, körperliche Beschwerden wie Appetit- und Gewichtsverlust sowie tageszeitliche Schwankungen des Befindens mit einem „Tief“ am Morgen. Wie bei betroffenen Erwachsenen besteht auch bei depressiven Jugendlichen ein erhöhtes Suizidrisiko. „Suizidankündigungen oder -versuche müssen immer ernst genommen werden. Über die Hälfte der Jugendliche, die einen Selbstmord begangen haben, drohten oder deuteten diesen an oder sprachen innerhalb der 24 Stunden vorher davon“, ergänzt der Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Klinik der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel. „Eine jugendpsychiatrische Untersuchung sollte sobald wir möglich nach Bekanntwerden einer Suizidgefährdung oder eines Suizidversuchs vorgenommen werden. Manche Jugendliche sprechen unmittelbar nach einem Suizidversuch offener über ihre Problematik, da sich ein kurzes kommunikatives Zeitfenster ergibt.“

Mehrere Faktoren wirken bei Depessionen zusammenAls Ursache für die Entwicklung einer Depression wird das Zusammenwirken verschiedener Einflüsse angenommen, darunter genetische Voraussetzungen, negative Lebensereignisse sowie aktuelle individuelle Faktoren. Kinder mit entsprechendem genetischem Risiko erkranken in einer ungünstigen psychosozialen Umgebung häufiger an Depressionen. Als psychosoziale Risikofaktoren können psychische Erkrankungen der Eltern gesehen werden, sowie Vernachlässigung und Misshandlung, aber auch Kommunikationsprobleme in der Familie. „Bereits vor Krankheitsausbruch leiden manche betroffenen Kinder unter einer überstrengen Bewertung ihrer Impulse und Wünsche, einem geringen Selbstwertgefühl und einem ausgeprägtem Schamempfinden“, erklärt der Experte. „Bekannt ist auch, dass Kinder und Jugendliche mit depressiven Störungen im Jahr vor Erkrankungsbeginn mehr negativen Lebensereignissen ausgesetzt waren, wie beispielsweise Verlust- und Trennungserlebnissen.“ Ob die Häufigkeit der Depressionen im Jugendalter in den letzten Jahren zugenommen hat, ist umstritten. Verstärkter gesellschaftlicher Leistungsdruck ist eine mögliche Ursache für eine Zunahme, vielleicht liegen einem bloss scheinbar häufigeren Auftreten aber auch die bessere Kenntnis der depressiven Symptome und eine sorgfältigere Diagnostik zu Grunde.

Rechtzeitige Behandlung wichtig

Depressive Episoden sollten auf jeden Fall behandelt werden. Die Therapie einer Depression bei Kindern und Jugendlichen sollte mehrere Behandlungsebenen umfassen. „Bei einer leichten depressiven Erkrankung ist die psychosoziale Behandlung wichtig, die eine Beratung der Eltern mit einschließt und auf eine Beseitigung von belastenden Faktoren abzielt“, erläutert Prof. Di Gallo. „Bei mäßig schweren Depressionen steht eine psychotherapeutische Behandlung im Vordergrund. Bei schweren depressiven Episoden können antidepressive Medikamente eingesetzt werden, was sich zusammen mit psychotherapeutischen Verfahren als wirksam erwiesen hat. Auch kann bei einem hohen Suizidrisiko eine stationäre Behandlung erforderlich sein. Für eine erfolgreiche Therapie ist es wichtig, dass Eltern und – mit Einverständnis der Betroffenen – auch Lehrer und andere wichtige Bezugspersonen einbezogen und informiert werden, damit sie angemessen reagieren und dazu beitragen können, das Selbstbewusstsein der Betroffenen nachhaltig zu stärken. Für Eltern kann es hilfreich sein, eine spezielle Elterngruppe zu besuchen, in der sie lernen, das Kind richtig zu unterstützen und in der ein Austausch unter gleichsam Betroffenen möglich ist.

Man schätzt, dass bis zu 4% der Grundschulkinder und bis zu 8% der Jugendlichen in den westlichen Industrieländern von depressiven Störungen betroffen sind. Depressive Episoden im Jugendalter sind meist kürzer als im Erwachsenenalter - bei einem Drittel der betroffenen Kinder und Jugendlichen lassen die Symptome innerhalb von 3 Monaten nach. Allerdings besteht besonders beim Vorliegen von mehreren Risikofaktoren in bis zu 80% die Gefahr eines Rückfalls und damit einer Chronifizierung der Erkrankung.

(äin-red) Der Abdruck dieser Pressemeldung oder von Teilen des Artikels ist unter folgender Quellenangabe möglich: www.kinderpsychiater-im-netz.org.