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Ratgeber-Archiv

Demenz: Hilflosigkeit der Erkrankten kann sich auf Angehörige übertragen - Unterstützung wahrnehmen

Etwa zwei Drittel aller Demenzkranken werden von Angehörigen zuhause versorgt. Die pflegenden Personen sind zumeist die Ehepartner oder die Kinder – wobei hier oft die Töchter oder Schwiegertöchter diese Aufgabe übernehmen. Für eine würdevolle Begleitung der Erkrankten, aber auch für das Gelingen der Pflegeaufgabe braucht es einerseits Wissen über die Erkrankung, um das Verhalten der Betroffenen und die eigenen Reaktionen darauf besser verstehen zu können. Daneben ist notwendig, sich mit der Pflegerolle auseinanderzusetzen, Entlastungsangebote zu organisieren und die Selbstsorge von Anfang an in den Alltag zu integrieren.

Etwa zwei Drittel aller Demenzkranken werden von Angehörigen zuhause versorgt. Die pflegenden Personen sind zumeist die Ehepartner oder die Kinder – wobei hier oft die Töchter oder Schwiegertöchter diese Aufgabe übernehmen. Es gibt zahlreiche Formen von Demenz, Alzheimer ist die häufigste und bekannteste. Die Erkrankungsfolgen sind immer gleich: Die kognitiven Fähigkeiten - wie z.B. Gedächtnis, Sprache, Orientierung und Planungsvermögen - sowie die emotionalen und sozialen Fähigkeiten sind zunehmend beeinträchtigt und es kommt früher oder später zum Persönlichkeitszerfall. Angehörige stehen dann vor der schwierigen Aufgabe, sich im Umgang mit dem erkrankten Familienmitglied an seine Fähigkeiten und Bedürfnisse anzupassen, aber auch die Orientierungslosigkeit der Erkrankten aufzufangen. Sowohl organisatorisch als auch emotional sind pflegende Angehörige oft enormen Belastungen ausgesetzt, die das Potential haben, psychische Erkrankungen zu fördern. „Die große Bereitschaft von Angehörigen, ihre Familienmitglieder selbst zu betreuen, ist grundsätzlich sehr zu begrüßen und auch hoch anzuerkennen. Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, können sich darauf verlassen, von vertrauten Personen liebevoll umsorgt zu werden. Andererseits bedeutet dies für die Pflegenden eine große Umstellung und enorme Aufgabe, für einen umfassend hilflosen Menschen rund um die Uhr da zu sein“, meint Dr. med. Raoul Borbé von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) mit Sitz der Gesellschaft in Berlin. „Oft ist es dabei nicht einfach, positive Gefühle aufzubringen. Nicht selten gehen die Pflegenden über die Grenzen ihres eigenen Leistungsvermögens hinaus und die Hilflosigkeit der Erkrankten kann sich auf sie übertragen.“ Wer sich dazu entschieden hat, einen nahestehenden Menschen zu Hause zu pflegen, sollte sich umfangreich informieren sowie frühzeitig vorhandene Beratungs- und Hilfsangebote nutzen, um sein eigenes Risiko, selbst psychisch Probleme zu entwickeln, zu senken.

Herausforderndes und unvorhersehbares Verhalten besonders belastend

Es sind oft weniger der Verlust an Alltagskompetenz und Gedächtniseinbußen von Erkrankten, welche für die Angehörigen so problematisch sind. Schwer zu akzeptieren sind insbesondere die Verhaltensveränderungen, wenn ein vertrauter Mensch plötzlich völlig anders agiert als gewohnt oder auch tabuisiertes Verhalten zeigt. „Für Familienmitglieder kann es sehr schwierig sein, Charakterveränderungen und den Kontrollverlust von Erkrankten zu erleben sowie Verhaltensanteile zu bemerken, die mitunter sehr verstörend, misstrauisch, feindselig oder auch abstoßend sind. Manchmal können demente Menschen erkrankungsbeding ein geradezu destruktives Verhalten an den Tag legen, das viel Geduld und Verständnis von den Pflegenden einfordert“, berichtet Dr. Borbé. „Es kann auch umgekehrt geschehen, das Pflegende Verhaltensweisen an sich selbst entdecken, die sie später zutiefst bedauern – etwa, weil sie gegenüber dem hilflosen Menschen mal beleidigend oder auch verletzend waren.“ Der Betreuungsalltag ist in der Regel durch eine hohe körperliche aber eben auch seelische Beanspruchung geprägt, weswegen für betreuende Angehörige Selbstsorge, emotionale Entlastung sowie soziale Unterstützung und der auch der Respekt vor der Pflegeleistung durch das Umfeld wichtig und notwendig sind.

Selbstsorge von Beginn an pflegen – Erschöpfungssymptome wahrnehmen

Für eine würdevolle Begleitung der Erkrankten, aber auch für das Gelingen der Pflegeaufgabe braucht es einerseits Wissen über die Erkrankung, um das Verhalten der Betroffenen und die eigenen Reaktionen darauf besser verstehen zu können. Daneben ist notwendig, sich mit der Pflegerolle auseinanderzusetzen, Entlastungsangebote zu organisieren und die Selbstsorge von Anfang an in den Alltag zu integrieren. Die Aufsicht und Betreuung von Demenzkranken kann sich zu einem ein 24-Stunden-Job entwickeln, der bis zur sozialen Isolation führen kann. Spätestens bei Anzeichen von Überlastung und Erschöpfung ist es notwendig, sich unterstützen zu lassen und gegebenenfalls auch psychotherapeutische Hilfe aufzusuchen. „Pflegende Angehörige laufen Gefahr, dass sie schleichend ihren Bedürfnissen immer weniger nachkommen und die Selbstsorge hintenansteht, wenn sie nicht fest eingeplant oder durch Betreuungsangebote organisiert ist“, meint der Experte. „Die eigenen Sozialkontakte zu pflegen oder auch Entspannungskurse wahrzunehmen ist ebenso wichtig, wie frühzeitig professionelle Hilfe einzubeziehen. Bereits stundenweise Entlastungsangebote können sehr hilfreich sein.“ Auch der Austausch mit gleichfalls betroffenen Menschen in Selbsthilfegruppen kann dabei helfen, gesund und leistungsfähig zu bleiben. Gute Unterstützung für pflegende Angehörige sind daneben telefonische Unterstützungsangebote - unter anderem von Krankenkassen oder Alzheimer Gesellschaften.

Auf der Website „Generation PSY“ der DGPPN (www.generation-psy.de) wird das komplexe Thema „Demenz“ durch die Kampagne „Plaques haben nichts mit Karies zu tun“ von verschiedenen Seiten beleuchtet. Das Internetangebot richtet sich in erster Linie an junge Erwachsene und möchte dazu beitragen, Vorurteile und falsche Vorstellung im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen abzubauen aber auch das facettenreiche Berufsbild eines Psychiaters illustrieren.

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