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11. Europäischer Depressionstag: Depressionen leitliniengerecht behandeln

Fast jeder fünfte Mensch erkrankt in Deutschland im Laufe seines Lebens an einer Depression. Betroffen sind aber nicht nur die Erkrankten selbst, sondern auch das familiäre, soziale und berufliche Umfeld. Doch mehr als die Hälfte der Patienten mit schweren Depressionen werden heute nicht nach aktuellem wissenschaftlichem Standard behandelt. Die DGPPN fordert deshalb, die Versorgungssituation für Depressive rasch und nachhaltig zu verbessern.

Depressionen gehören nicht nur zu den häufigsten psychischen Erkrankungen, sie haben vor allem auch schwerwiegende Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen. Depressive verlieren ihren Antrieb sowie ihr Interesse und ihre Freude am Leben. Oftmals sind sie verzweifelt, innerlich leer oder gefühllos, unfähig in gewohnter, normaler Weise auf freudige oder bedrückende Ereignisse zu reagieren. Die Symptome einer depressiven Störung belasten auch Familie, Partnerschaft und Freundschaften. Häufig kommt es zusätzlich zu Problemen am Arbeitsplatz. Als Folge neigen depressive Patienten oftmals zu Missbrauch von Alkohol, Medikamenten oder Drogen. „Werden Depressionen nicht richtig behandelt, können sie chronisch werden. Noch gravierender ist die Gefahr eines Suizids. Durchschnittlich nimmt sich jeder siebte schwer Depressive das Leben“, warnt DGPPN-Präsident Professor Wolfgang Maier.

Doch die Behandlungsqualität von Depressionen in Deutschland bereitet Sorgen. Bereits im Frühjahr machte der „Faktencheck Gesundheit“ der Bertelsmann Stiftung darauf aufmerksam, dass drei von vier Patienten mit schweren Depressionen keine nach den aktuellen Behandlungsleitlinien angemessene Therapie erhalten. Zwischen 2010 und 2012 wurden 18 Prozent der Betroffenen gar nicht behandelt. „Die aktuelle Versorgungslage ist alarmierend: Die Behandlung von Depressionen muss sich unbedingt stärker an der nationalen Behandlungsleitlinie ‚Unipolare Depression‘ ausrichten“, fordert Professor Martin Härter vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, einer der Studienautoren des „Faktenchecks Gesundheit“ und Koordinator der Nationalen Versorgungsleitlinie Depression. „Viel zu oft verläuft die Behandlung zu einseitig. So erhalten bei chronischen Erkrankungen nur etwa 12 Prozent der Patienten die empfohlene Kombinationstherapie aus Antidepressiva und Psychotherapie. Doch gerade für schwer erkrankte Menschen ist eine alleinige Behandlung nur mit Antidepressiva oder Psychotherapie unzureichend. Auch die Potenziale psychosozialer Therapie werden heute nicht ausgeschöpft", so Professor Härter weiter.

Als wissenschaftliche Fachgesellschaft hat die DGPPN deshalb eine Revision der S3-Leitlinie und der Nationalen Versorgungsleitlinie (NVL) „Unipolare Depression“ eingeleitet. „Die Erforschung der Behandlungsmöglichkeiten depressiver Störungen hat in den letzten Jahrzehnten deutliche Fortschritte gemacht. Hauptprobleme bleiben aber deren praktische Umsetzung und die Abstimmung, wie sich eine gestufte und vernetzte Versorgung sowie die Schnittstelle von ambulanter zu stationärer Behandlung optimalerweise gestalten lassen“, erklärt Professor Frank Schneider, Mitglied im Vorstand der DGPPN. Neben der Aktualisierung der Inhalte unter Berücksichtigung neuer Erkenntnisse in der Diagnostik und Behandlung sowie Versorgung depressiver Erkrankungen sollen bei der Revision der Leitlinie deshalb auch Modelle einer verbesserten Versorgungskoordination und entsprechende Umsetzungsmaßnahmen geprüft werden. Darüber hinaus sind aus Sicht der Fachgesellschaft auf Ebene der Politik und Verwaltung strukturierte Versorgungsprogramme für Menschen mit depressiven Erkrankungen zu entwickeln. „Strukturierte und sektorenübergreifende Modelle unter Nutzung der aktuellen Diagnose- und Behandlungsleitlinien müssen in Deutschland in Zukunft überall verfügbar sein. Jeder depressiv erkrankte Mensch, der Kontakt zum Gesundheitssystem hat, muss überall in Deutschland sicher sein können, dass seine Erkrankung erkannt und anschließend leitlinien- und bedarfsgerecht behandelt wird“, fordert DGPPN-Präsident Professor Wolfgang Maier.

DGPPN Kongress 2014

Die ambulante und stationäre psychiatrische Versorgung zählt zu den zentralen Themen des DGPPN Kongresses, der vom 26. bis 29. November 2014 in Berlin stattfindet. Journalistinnen und Journalisten können sich ab sofort für den Kongress registrieren und Interviews mit Experten vereinbaren. Weiter Informationen sind auf www.dgppn.de zu finden.