Neurologen und Psychiater im Netz

Das Informationsportal zur psychischen Gesundheit und Nervenerkrankungen

Herausgegeben von den Berufsverbänden für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland.

Menschen mit Essstörungen gemeinsame Suche nach Hilfe anbieten

Bei Menschen, die unter einer Essstörung leiden, liegt häufig ein tiefer gehendes seelisches Problem vor. Unkontrolliertes, übermäßiges Essen oder extremes Hungern sind für die Betroffenen häufig ein Ausweg oder Ersatz für verdrängte Gefühle und Bedürfnisse.

Bei Menschen, die unter einer Essstörung leiden, liegt häufig ein tiefer gehendes seelisches Problem vor. Unkontrolliertes, übermäßiges Essen oder extremes Hungern sind für die Betroffenen häufig ein Ausweg oder Ersatz für verdrängte Gefühle und Bedürfnisse. Auch stummer Protest oder Ablehnung können durch ein solches Verhalten ausgedrückt werden. „Charakteristisch für eine Essstörung ist, dass Essen oder Hungern das Leben der Betroffenen bestimmt“, erläutert Prof. Ulrich Voderholzer von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) in Berlin. „Andere wichtige Dinge des Alltags treten in den Hintergrund. Der gesamte Tagesablauf, die Gefühle und Beziehungen zu anderen Menschen oder auch berufliche und private Entscheidungen werden durch das Essverhalten beeinflusst und diesem untergeordnet.“ Die psychische Störung hat aber auch erhebliche negative Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit. „Bei jungen Frauen gehört die Magersucht zu den häufigsten Todesursachen. Auch ein zu geringes Körpergewicht über einen längeren Zeitraum kann zu erheblichen Organschädigungen führen“, warnt Voderholzer, der als ärztlicher Direktor an der Schön Klinik Roseneck, einer Fachklinik für psychische und psychosomatische Erkrankungen, tätig ist. „Diejenigen, die regelmäßig weit mehr essen als ihr Körper an Kalorien verbraucht oder unter Essattacken leiden und deshalb starkes Übergewicht oder sogar eine Adipositas haben, sind häufig durch Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Bluthochdruck gefährdet.“

Je stärker eine Essstörung krankhafte Züge annimmt, umso mehr versuchen die Betroffenen, sie zu verheimlichen. So erzählen Magersüchtige häufig, was sie den Tag über alles gegessen hätten und deshalb jetzt keinen Hunger mehr haben. Bei einer Ess-Brech-Sucht, der so genannten Bulimie, wird die gerade eingenommene Mahlzeit heimlich wieder erbrochen, um ja nicht zuzunehmen. Und wer ein ständiges Essverlangen hat, nimmt immer wieder, über den ganzen Tag hinweg und häufig auch nachts, Süßigkeiten, Snacks oder auch ganze Mahlzeiten zu sich, ohne dass es andere bemerken. „Angehörige und Freunde sollten in einer solchen Situation dem Patienten mitteilen, was sie an ihm konkret beobachten“, rät Voderholzer. „Das reicht von exzessiver Beschäftigung mit Nahrung über starke Gewichtszunahme oder -abnahme bis hin zu sozialem Rückzug oder anderen Verhaltensauffälligkeiten. Wichtig ist, dem Patienten klar zu machen, dass man sich um ihn sorgt und ihm anzubieten, gemeinsam Hilfe zu suchen. Gut gemeinte Ratschläge, wie das gestörte Essverhalten wieder in den Griff zu bekommen ist, sind zu vermeiden.“

Ernstere Warnsignale bei einer Essstörung sind Menstruationsstörungen bei Frauen mit sonst unauffälligem Organbefund, eine erhöhte Verunsicherung der Patienten, das Auftreten von Schamgefühlen in Bezug auf Essen, heimliches Essen und eine gestörte Wahrnehmung des eigenen Körpers. Bei zunehmender sozialer Isolation und dem Auftreten körperlicher Folgen durch Mangel- oder Überernährung sollte ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden. „Es geht zunächst einmal darum, wieder eine feste Mahlzeitenstruktur mit ausreichender Kalorienzufuhr einzurichten“, so der Psychiater. „Weitere Schwerpunkte der Therapie sind die Arbeit am Selbstwertgefühl, an der veränderten Körperwahrnehmung und an Gefühlswahrnehmungen.“

In Deutschland sind rund 100.000 Menschen, insbesondere Frauen zwischen 15 und 35 Jahren, an Magersucht erkrankt. Nur etwa die Hälfte der Patienten kann vollständig und dauerhaft geheilt werden und bis zu 15 Prozent sterben an der Erkrankung. Von der Ess-Brech-Sucht sind bundesweit etwa 600.000 Menschen betroffen. Die meisten von ihnen sind zwischen 20 und 30 Jahre alt. An Übergewicht leidet rund die Hälfte der Deutschen und fast jeder Siebte ist adipös.

Die Pressemeldung der DGPPN ist mit Quellenangabe zur Veröffentlichung freigegeben.Bitte weisen Sie bei Verwendung im Printbereich auf das Informationsportal der DGPPN, www.psychiater-im-netz.de, hin. Bei Online-Veröffentlichung erbitten wir eine Verlinkung auf die Website.