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Herausgegeben von den Berufsverbänden für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland.

Bei Gewalt in Beziehung professionelle Hilfe wahrnehmen

In manchen Fällen können Spannungen, Streit und Konflikte in Beziehungen zu verletzendem und gewalttätigem Verhalten führen. Die Gewalt kann dabei in Form von körperlichen sowie auch seelischen Misshandlungen bestehen und unterschiedliche Schweregrade aufweisen. Weil Gewaltanwendung neben körperlichen Verletzungen auch gravierende psychische und psychosomatische Folgen haben, ist es für Betroffene wichtig, professionelle Hilfsangebote zu nutzen.

„Physische Gewalt führt je nach Schweregrad zu körperlichen Verletzungen, die in Form von blauen Flecken, Prellungen, Knochenbrüchen oder Wunden erkennbar sind. Es gibt aber auch Beziehungen, in denen ein Partner den anderen wiederholt demütigt, abwertet, nicht beachtet oder bloßstellt und damit psychische Gewalt ausübt. Diese Form von Gewalt hat oft zum Ziel, durch systematische Unterdrückung Dominanz und Kontrolle über den Partner zu erlangen“, berichtet Dr. Christa Roth-Sackenheim vom Berufsverband Deutscher Psychiater (BVDP) mit Sitz in Krefeld. „Verbale und psychische Gewalt kann ebenso folgenschwer wie körperliche Gewalt sein. Auch geht sie dieser fast immer voraus. „Mögliche psychische Folgen von körperlicher oder psychischer Gewalt können Scham, Schuldgefühle, Verwirrung und Verzweiflung sowie Gefühle von Wertlosigkeit sein. Zudem können sich Angsterkrankungen, Depressionen, dissoziative Störungen, Belastungsstörungen und auch psychosomatische Störungen entwickeln. Häusliche Gewalt kann sich darüber hinaus stark auf das Sozialleben auswirken und zu sozialem Rückzug oder dem Abbruch von außerfamiliären Beziehungen führen.

Die Ursachen für Gewalt sind vielfältig

Gewalt in Beziehungen kommt in allen Altersgruppen und sozialen Schichten vor. Viele Faktoren wirken dabei zusammen und beeinflussen sich gegenseitig - fast nie führt eine einzige Ursache zu Gewalt. „Oft entwickelt sich Gewalt sukzessive über einen Kreislauf. Sie tritt oft in Situationen zutage, in denen sich Menschen psychisch belastet oder frustriert fühlen. Dabei können Belastungs- und Überforderungssituationen auf chronischen oder akuten Belastungen beruhen, wie beispielsweise finanziellen Schwierigkeiten oder einer Kündigung“, erklärt die Psychiaterin. „Darüber hinaus besteht ein Zusammenhang zwischen Alkoholmissbrauch und Gewaltanwendung. Alkohol ist bei bis zu 50 Prozent der gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Paaren im Spiel. Dabei spielt wohl die enthemmende Wirkung des Rauschmittels eine zentrale Rolle.“ Bekannt ist ebenfalls, dass Männer und Frauen, die Gewalt ausüben, oftmals selbst in einer Umgebung aufgewachsen sind, in der gewalttätiges Verhalten aufgetreten ist. Gewalt in Familien lässt sich oft über mehrere Generationen hinweg feststellen.

Gewalt erkennen und Hilfsangebote nutzen

Menschen, die Partnerschaftsgewalt erleben, sind nicht immer gleich dazu in der Lage, diese auch als solche zu identifizieren und darauf adäquat zu reagieren. „Viele Gewaltbetroffene erkennen nicht, dass das Verhalten ihres Partners, beispielsweise seine Eifersucht, die verbalen Angriffe und Herabwürdigung oder auch die schrittweise Isolierung von Freunden und Familie Gewalt darstellt. Auch nach physischen Misshandlungen erleben Betroffene oft Zweifel, ob das, was sie erlebt haben «wirklich» Gewalt war und ob sie diese vielleicht selbst zu verantworten hatten“, meint Dr. Roth-Sackenheim. „Der wichtigste Schritt für Opfer ist es, zu erkennen, dass sie Gewalt erleben. Um sich darüber Klarheit zu verschaffen, kann ein Gespräch mit Beratungsstellen hilfreich sein. Anonyme Hilfsangebote erleichtern es Betroffenen, ihre Scham zu überwinden und über das Erlebte zu sprechen.“ Im ersten Schritt können sie sich an die Telefonseelsorge oder das Hilfetelefon der Bundesregierung wenden. Auch eine Kontaktaufnahme mit einer lokalen Beratungsstelle für Gewaltbetroffene ist sinnvoll, um sich über die Möglichkeiten der Soforthilfe und auch über rechtliche Aspekte zu informieren.“ In akuten Notsituationen sollten sich Betroffene an den polizeilichen Notruf wenden. Je nach individuellen Erfordernissen kann dann eine sofortige psychologische Krisenhilfe wahrgenommen werden, zudem wird über die Möglichkeiten einer weiteren Begleitung informiert. Weil erlebte Gewalt schwerwiegende psychische Folgen haben kann, ist für Gewaltopfer im Weiteren eine Psychotherapie ratsam.

Polizeiberatung/Häusliche Gewalt (mit Beratungsstellen-Suche):

www.polizei-beratung.de/opferinformationen/haeusliche-gewalt.html

Telefonseelsorge


anonyme, kostenlose Beratung zu jeder Tages- und Nachtzeit unter den bundesweiten Telefonnummern 0800 - 1110111 oder 0800 - 1110222 bzw.
www.telefonseelsorge.de

Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen:
kostenlose Beratung zu jeder Tages- und Nachtzeit unter der bundesweiten Telefonnummer 08000 - 116 016
www.hilfetelefon.de

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