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Bei der Altersdepression überwiegen oft körperliche Symptome

Fast 40 Prozent aller Suizide werden von über 60-jährigen Menschen begangen. Ursache dafür sind in den meisten Fällen Depressionen, die im höheren Lebensalter die häufigste psychische Erkrankung darstellen. Menschen, die in einem Alters- oder Pflegeheim leben, weisen ein noch höheres Risiko auf, an Depressionen zu erkranken – von ihnen sind 35 Prozent betroffen.

„Die Symptome einer Depression im Alter sind nicht grundlegend anders als in jüngeren Jahren. Bei etwa 80 Prozent der Betroffenen sind die vordergründigen Anzeichen einer Depression jedoch eher körperlicher Natur und erst später werden die psychischen Veränderungen deutlicher. Bezeichnend ist, dass die Betroffenen häufig über ihren allgemeinen Gesundheitszustand und weniger über ihren Gemütszustand klagen“, berichtet Priv.-Doz. Dr. Martin Haupt, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie (DGGPP), die ihren Sitz in Wiehl hat. „Zu den möglichen körperlichen Anzeichen einer Altersdepression gehören unter anderem Kopfschmerzen, Rücken- und Gliederschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden, Herzrhythmusstörungen, Atemprobleme sowie Schwindelgefühle und insbesondere Schlafstörungen. Diese körperlichen Beschwerden werden leider oft dem Alterungsprozess zugerechnet, weswegen eine notwendige psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung gar nicht oder erst spät erfolgt. Betroffene, Angehörige sowie auch Ärzte sollten bei entsprechenden Symptomen auch eine depressive Erkrankung in Betracht ziehen.“ Zu den psychischen Beschwerden von Depressionen im Alter zählen unter anderem Antriebs- und Freudlosigkeit, emotionale Abgestumpftheit, Gleichgültigkeit gegenüber Mitmenschen bzw. der Umgebung, Selbstzweifel, das Nachdenken über den Tod sowie insbesondere ein Rückzug aus dem sozialen Umfeld.

Erkrankte sind auf Hilfestellung von außen angewiesen

Die Symptome einer Altersdepression sind oftmals allerdings schwer zu erkennen, da sie von anderen Störungen wie beispielsweise einer Demenz überlagert sein können. Auch halten es Angehörige und Familienmitglieder fatalerweise oft für normal, dass ältere Menschen eine depressive Grundhaltung haben. Angehörige sind in der Regel auf ihre Beobachtungsgabe und ihre Menschenkenntnis angewiesen, um depressive Tendenzen oder Suizidgedanken bei Familienmitgliedern zu bemerken und zu reagieren. „Angehörige sollten sich nicht davor scheuen, Betroffene auf mögliche Depressionen anzusprechen. Depressive Menschen sind von sich aus häufig nicht in der Lage, über ihre Probleme zu sprechen und sich selbst in Behandlung zu begeben. Daher ist eine Unterstützung von außen wichtig. Es kann dann sinnvoll sein, selbst einen Termin für den Betroffenen zu vereinbaren und zunächst gemeinsam mit ihm zum Arzt zu gehen“, rät der Gerontopsychiater. „Eine Altersdepression muss ernst genommen und darf nicht als «altersbedingt» abgetan werden – insbesondere auch, weil eine erhöhte Suizidgefahr im Alter besteht.“ Eine Depression, ganz gleich wie alt der Patient ist, sollte immer behandelt werden.

Grundsätzliches Ziel der Therapie einer Altersdepression ist der (Wieder-)Gewinn an Lebensqualität, also einerseits, dass der Betroffene sein bisheriges Leben und die derzeitige Situation akzeptiert und andererseits, dass er lernt, seinen Alltag wieder aktiver und positiver zu gestalten. „Die Behandlung von Depressionen im Alter beruht auf verschiedenen Ansätzen, wie der medikamentösen Therapie, der Psychotherapie sowie soziotherapeutischen Maßnahmen. In den meisten Fällen verspricht eine Kombination dieser Behandlungsmaßnahmen den größten Erfolg“, ergänzt Priv.-Doz. Dr. Haupt. „Angehörige können die Krankheitsbewältigung unterstützen, indem sie versuchen, positive Gefühle beim Erkrankten zu verstärken. Man kann sie zu Aktivitäten ermutigen, ohne sie dabei unter Druck zu setzen.“

Bei depressiven Patienten ab 65 Jahren spricht man von einer Altersdepression bzw. einer Depression im Alter. Während in der gesamten Bevölkerung durchschnittlich 5% an einer Depression erkrankt sind, leiden etwa 20% an einer Altersdepression. Die Ursachen und Auslöser sind vielfältig. Die oft hohen emotionalen Anforderungen im Alter stellen ein großes Risiko für die Entwicklung einer Depression dar. Viele ältere Menschen erleben beispielsweise den Rollenwechsel vom Beruf zum Rentendasein als negatives Ereignis. Häufig kommen in dieser Zeit der Verlust des Partners oder enger Freunde, die Abnahme anregender sozialer Kontakte sowie eine nachlassende geistige und körperliche Leistungsfähigkeit bis hin zur Pflegebedürftigkeit als weitere Risikofaktoren hinzu.

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