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Alzheimer in der Familie: Angehörige sollten sich früh mit Krankheitsbild auseinandersetzen

Wenn das Umfeld lernt zu verstehen, was in dementen Menschen vorgeht, was sie brauchen und wie sie reagieren, kann zumindest ein Teil an Konflikten und Belastungen vermieden werden.

Eine Demenz allgemein verändert den Menschen mit dem Fortschreiten der Erkrankung. Dies mitzuerleben kann neben dem Betroffenen auch für die Angehörigen und das weitere Umfeld sehr belastend sein. Die Veränderung kann viele Gesichter haben und für die Familie ist es wichtig, sich zu einem möglichst frühen Zeitpunkt damit auseinanderzusetzen, um Missverständnisse zu begrenzen. „Wenn das Umfeld lernt zu verstehen, was in dementen Menschen vorgeht, was sie brauchen und wie sie reagieren, kann zumindest ein Teil an Konflikten und Belastungen vermieden werden“, rät Priv.-Doz. Dr. Martin Haupt, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie (DGGPP) in Wiehl. „Beispielsweise ist die Wahrnehmung der eigenen Einschränkungen den Betroffenen zu Krankheitsbeginn sehr klar. Viele reagieren darauf mit tiefer Verunsicherung, mit Ängsten oder Niedergeschlagenheit. Werden sie nun zusätzlich mit Aussagen wie «Jetzt streng dich mehr an» oder «Du musst mehr üben» bedrängt, beeinträchtigt dies schnell das Selbstwertgefühl der Erkrankten, wenn sie nicht mehr in der Lage dazu sind, leistungsfähiger zu sein. Beschämung, Resignation und schließlich eine Depression können die Folgen sein, die das Wohlbefinden der Erkrankten weiter schmälern und die Krise verschärfen.“ Die Familie sollte versuchen, das Leistungsvermögen der Betroffenen richtig einzuschätzen. Dabei müssen sie bedenken, dass die Betroffenen oft versuchen, ihre Einschränkungen durch Ausflüchte oder Vermeiden von überfordernden Situationen zu überspielen.Im Kontakt zu nahen Bezugspersonen kann es darüber hinaus zu Konflikten kommen, wenn den Beteiligten die Hintergründe von Verhaltensveränderungen wie etwa plötzlichen Aggressionen unklar sind. „Alzheimer-Kranke bauen oft eine Art "Schutzzone" um sich herum auf. Wird nun die Grenze dieser Zone überschritten werden, so fühlt sich die Person angegriffen und nicht mehr sicher in ihrem Umfeld. Dann kann aggressives Verhalten eine natürliche Reaktion auf die Situation sein“, berichtet der Gerontopsychiater aus Düsseldorf. „Eine solche Überschreitung kann beispielsweise eine Hilfestellung beim Waschen oder Anziehen sein. Es kann vorkommen, dass sich der Erkrankte dadurch eingeengt fühlt, Angst und Scham empfindet und es zur Abwehrhaltung und Wutausbrüchen kommt.“ Der Verlust der Eigenständigkeit und Handlungsfähigkeit bei Alzheimer wird oft noch schmerzlicher empfunden als die Störungen des Gedächtnisses. Meistens resultiert ein aggressives Verhaltensmuster aus Interaktionen zwischen der verwirrten Person und deren Umwelt sowie deren Hirnleistungsschwäche. „Betroffene Familien sollten sich am besten professionell auf die Krankheitsfolgen von Demenz vorbereiten, um den gemeinsamen Alltag möglichst friedlich und erfüllend zu gestalten“, rät der Experte. „Insbesondere im Anfangsstadium der Erkrankung kann für den Betroffenen auch psychotherapeutische Hilfe ratsam sein, damit er sein Leben trotz Erkrankung, die er ja zu diesem Zeitpunkt bewusst erlebt, als sinnvoll empfindet.“ Von Anfang an ist es wichtig, das Selbstvertrauen von Demenzkranken zu stabilisieren und die Teilnahme am alltäglichen Leben nach Maßgabe der Leistungsfähigkeit des Betroffenen zu unterstützen. Mehr Selbstvertrauen bedeutet mehr Wohlbefinden und dadurch auch mehr Leistungskraft, die dem Fortschreiten der Erkrankung entgegengesetzt werden kann.

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