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Wenn Aggressionen krankhaft sind

Aggressionen gehören zum normalen Verhaltensrepertoire des Menschen. Warum nehmen sie manchmal krankhafte Ausmaße an? Wie lässt sich die Therapie verbessern? Das erforscht ein neuer europäischer Verbund, an dem Würzburger Mediziner beteiligt sind.

Sie streiten oft, sie stören den Unterricht, sie bekommen Wutanfälle. Sie zerstören Gegenstände und sie attackieren andere Menschen – verbal und körperlich. Die Rede ist von Kindern und Jugendlichen, die an einer Verhaltensstörung mit gesteigerter Aggression leiden. Übermäßige Aggressionen treten auch häufig bei ADHS-Patienten auf: Wer das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom hat, reagiert oft schon bei nichtigen Anlässen so überschießend impulsiv, dass er auf andere Menschen aggressiv wirkt.

Diese beiden Patientengruppen hat der neue europäische Forschungsverbund „Aggressotype“ im Blick. Sein Ziel ist es, die biologischen Grundlagen der Aggression noch besser zu erforschen. Zudem will er neue Möglichkeiten für die Früherkennung und Behandlung entwickeln. Dem Verbund zufolge liegt die Zahl der betroffenen Patienten in Europa bei über 5,4 Millionen.

Von der Uni Würzburg sind an dem Verbund die Teams der Professoren Andreas Reif und Klaus-Peter Lesch beteiligt. Sie befassen sich vorrangig mit der Neurobiologie von Aggressionen und forschen beide an der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. Reif und Lesch wollen herausfinden, welche Gene an der Entstehung des krankhaft-aggressiven Verhaltens mitwirken. Zudem werden sie die Vorgänge in den Gehirnregionen genauer untersuchen, die bei Aggressionen aktiv sind. Für ihre Vorhaben bekommen sie von der Europäischen Union rund 1,4 Millionen Euro Fördergeld.

Therapien könnten besser sein

Der Verbund „Aggressotype“ hofft darauf, dass sich aus seiner Arbeit auch neue Therapien für Aggressionen ableiten lassen. „Prinzipiell werden Aggressionen derzeit psychotherapeutisch und bei Bedarf zusätzlich mit Medikamenten behandelt“, sagt Professor Reif. Beide Ansätze seien verbesserungsfähig: „Die wenigen verfügbaren Medikamente wurden nicht speziell für Aggressionen entwickelt, und die Therapie mit ihnen verläuft nicht immer erfolgreich.“

Die Europäische Union fördert das Projekt „Aggressotype“ in den kommenden fünf Jahren mit insgesamt sechs Millionen Euro. Eingebunden sind 23 Partnerinstitutionen aus elf Ländern. Das Projekt ist im November 2013 gestartet.

Weitere Informationen:

ec.europa.eu/research/health/medical-research/brain-research/projects/aggressotype_en.html

Quelle: Julius-Maximilians-Universität Würzburg