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Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient ist für Behandlung entscheidend

Aktuellen Medienberichten zufolge fordern die Innenminister der Union, die Sicherheitsgesetze in Deutschland zu verschärfen. Zur Diskussion steht offenbar auch eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht.

Aktuellen Medienberichten zufolge fordern die Innenminister der Union, die Sicherheitsgesetze in Deutschland zu verschärfen. Zur Diskussion steht offenbar auch eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht. Dazu erklärt DGPPN-Präsidentin Dr. Iris Hauth aus Berlin:

„In der Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen spielt das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient eine entscheidende Rolle. Das Patientengeheimnis dient dem Schutz der Privatsphäre der Patienten und wird als Grundrecht durch unsere Verfassung geschützt. Die nun laut gewordenen politischen Forderungen nach einer Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht gefährden diese Vertrauensbasis und sind kontraproduktiv. Dies kann dazu führen, dass Menschen in psychischen Krisen und psychisch erkrankte Menschen seltener und vielleicht zu spät professionelle Hilfe suchen – oder wenn sie in Behandlung sind, aus Angst nicht über ihre aggressiven Gedanken und Impulse sprechen. Es entsteht ein Teufelskreis. Denn unzureichende Behandlung kann der Grund sein, warum Menschen mit psychischen Erkrankungen in seltenen Fällen überhaupt gewalttätig werden. Je eher, je kontinuierlicher und je vertrauensvoller wir Menschen mit psychischen Erkrankungen behandeln, desto größer sind die Chancen auf einen Therapieerfolg – und desto kleiner ist das Gewaltrisiko. Die DGPPN warnt deshalb davor, die ärztliche Schweigepflicht als Reaktion auf die schrecklichen Anschläge der vergangenen Wochen voreilig zu lockern.

Aus Sicht der Fachgesellschaft ist die aktuelle Rechtslage ausreichend. Die ärztliche Schweigepflicht (Paragraph 203 StGB) ist dann aufgehoben, wenn ein rechtfertigender Notstand (Paragraph 34 StGB) vorliegt. In besonders schwerwiegenden Fällen (Paragraph 138 StGB) besteht sogar eine Offenbarungspflicht. Stellen Ärzte bei einem Patienten aufgrund seiner psychischen Erkrankung konkrete Gefährdungstendenzen fest – und dies gilt sowohl für Selbst- als auch für Fremdgefährdung – so sind sie heute schon dazu verpflichtet, aktiv zu werden. Juristisch stehen ihnen dazu neben Paragraph 34 StGB (rechtfertigender Notstand) vor allem die Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetze der Länder zur Verfügung, die eine sofortige Unterbringung in den geschützten Bereich eines psychiatrisch-psychotherapeutischen Krankenhauses vorsehen. Dabei handelt es sich immer um Einzelfallentscheidungen durch Abwägungsprozesse, welche nicht pauschal durch eine einzige Rechtsnorm erfassbar sind."

Quelle: DGPPN