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Das Informationsportal zur psychischen Gesundheit und Nervenerkrankungen

Herausgegeben von den Berufsverbänden für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland.

Diagnostik der Lese-Rechtschreibstörung (Legasthenie)

Bei Anzeichen einer Lese-Rechtschreibstörung sollten Eltern – in Absprache mit der Schule bzw. mit der Klassenlehrkraft – einen Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie aufsuchen, um die Diagnose abzusichern. Grundsätzlich ist bei Legasthenie erst ab der Schulzeit eine fundierte Diagnosestellung nach einem sogenannten multiaxialen Diagnoseschema mit 6 Achsen möglich. Dieses Diagnoseverfahren gilt als europäischer Standard und wird zur Abklärung vieler psychiatrischer Störungsbilder eingesetzt. Folgende Aspekte werden hierbei berücksichtigt:

  • Achse 1: Liegt eine psychische Erkrankung vor?
     
  • Achse 2: Liegt eine umschriebene Entwicklungsstörung vor?
     
  • Achse 3: Wie hoch ist das Intelligenzniveau?
     
  • Achse 4: Liegen nicht-psychische Erkrankungen vor?
     
  • Achse 5: Gibt es aktuelle abnorme psychosoziale Umstände?
     
  • Achse 6: Einschätzung, wie gut die psychosozialen Anpassung aktuell gelingt; Einschätzung wie sehr die Störung das Leben des Kindes beeinflusst.

Im Gespräch ermittelt der Kinder- und Jugendpsychiater die Entwicklung des Kindes, speziell hinsichtlich der schulischen Fähigkeiten (Noten, Dauer der Hausaufgaben etc.). Weiter erfragt er Informationen zur Familiengeschichte in Hinblick auf eine erbliche Lese-Rechtschreibstörung, aber auch um die psychische Verfassung des Kindes (hinsichtlich depressiver Verstimmung, Schulangst etc.) sowie Beeinträchtigungen im Alltag abschätzen zu können. Von der Schulseite sollte ein Bericht zum aktuellen Leistungsstand und zur Lernentwicklung vorliegen. Anhand verschiedener standardisierter Testverfahren überprüft der Facharzt dann das Lesetempo, die Lesefehler und das Leseverständnis, das phonologische Bewusstsein sowie die Rechtschreibung. Weiter führt er einen Intelligenztest sowie Verfahren, die u.a. zur Erkennung einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) oder depressiven Episode oder einer Angststörung geeignet sind, durch.

Wichtig ist es zudem, organische Gründe für die Schwierigkeiten beim Lesen und Rechtschreiben wie z.B. Seh- und Hörstörungen oder eine Epilepsie als Ursache auszuschließen. Auch eine allgemeine Einschränkung der Lernfähigkeit, z.B. als Folge eines Hirn-Schädel-Traumas oder aufgrund einer verminderten Intelligenz, muss von einer Legasthenie abgegrenzt werden.

Fachliche Unterstützung: Prof. Dr. med. Gerd Schulte-Körne, München (DGKJP)