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Depression: Antidepressiva sind Psychotherapien im direkten Vergleich überlegen

Eine aktuelle Meta-Studie, in der die Wirksamkeit von Antidepressiva und Psychotherapie im direkten Vergleich betrachtet wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass die Medikamente bei der Behandlung von Depressionen etwas besser abschneiden. Meta-Studien kombinieren eine Vielzahl von Studien zu einer Zusammenschau, so dass die Resultate der bereits durchgeführten Studien verglichen und als Kollektiv ausgewertet werden.

Eine aktuelle Meta-Studie, in der die Wirksamkeit von Antidepressiva und Psychotherapie im direkten Vergleich betrachtet wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass die Medikamente bei der Behandlung von Depressionen etwas besser abschneiden. Meta-Studien kombinieren eine Vielzahl von Studien zu einer Zusammenschau, so dass die Resultate der bereits durchgeführten Studien verglichen und als Kollektiv ausgewertet werden.

Hintergrund dieser Analyse war die Annahme der Wissenschaftler, dass gängige Studiendesigns möglicherweise verzerrte Studienergebnisse zu Folge haben könnten. Zur Überprüfung der Wirksamkeit von Antidepressiva werden üblicherweise so genannte „placebokontrollierte, verblindete“ klinische Studien durchgeführt. Dabei enthält eine Gruppe der Teilnehmer das Arzneimittel (Verum-Gruppe) während der andere Teil, die Kontrollgruppe, ein Scheinpräparat bzw. Placebopräparat erhält. Sämtliche Teilnehmer wissen dabei nicht, zu welcher Gruppe sie gehören („blindes Studiendesign“).

Placebo- und Noceboeffekte verzerren Studienergebnisse

Bei diesem Design, so mutmaßen die Wissenschaftler, ergibt sich jedoch die Problematik, dass aufgrund der „Verblindung“ die Erwartungshaltung bei den Studienteilnehmern die Ergebnisse verzerren könnte. Der Einschluss von Placebo-Präparaten wird in beiden Studiengruppen die Hoffnung auf ein Anschlagen der Therapie verringern. Von diesem Effekt dürfte die Verum-Gruppe stärker betroffen sein als die Placebo-Gruppe, da die Hoffnung auf Linderung der Placebo-Gruppe zumindest höher sein dürfte als ohne Behandlung.

Anders ist dies bei Studien, welche die Effekte von Psychotherapie untersuchen. Hier ist eine „Verblindung“ nicht möglich, als Kontrollgruppe werden Wartegruppen oder Patienten mit Selbsthilfeansätzen herangezogen. In solch einer „offenen“ Studie weiß der Studienteilnehmer, zu welcher Behandlungsgruppe er gehört. Die Patienten in der Verumgruppe wissen in diesem Fall, dass sie tatsächlich eine Therapie bekommen, und können vom möglichen Placebo-Effekt einer Behandlung voll profitieren. Auf der anderen Seite wissen auch die Patienten in der Kontrollgruppe, dass sie nicht behandelt werden. Sie sind möglicherweise enttäuscht, wodurch es vielleicht zu einer unerwünschten negativen Wirkung (Nocebo-Effekt) kommt.

Die Forscher mutmaßen daher, dass aufgrund dieses offenen Studiendesigns die Wirksamkeit der Psychotherapie überschätzt werde, wohingegen die Wirksamkeit der antidepressiven Medikamente in placebokontrollierten Studien unterschätzt, werde.

Diese Annahme konnten sie in ihrer Meta-Analyse bestätigen: Studien, welche die Psychotherapie gegenüber Antidepressiva im direkten Vergleich betrachteten, wiesen eine geringfügig höhere Wirksamkeit von Antidepressiva nach. Hatten die Studien zusätzlich Placebo- und/oder Wartegruppen, lag der Vorteil hingegen bei der Psychotherapie (The effects of blinding on the outcomes of psychotherapy and pharmacotherapy for adult depression: A meta-analysis, European Psychiatry 2015, 30(6): 685-693).

Quelle: Ärzte Zeitung, 07.07.2016